Donnerstag, 7. Februar 2008

Keine Haftung der BRD für Strahlenschäden von NVA - Angehörigen

»Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht nach dem Staatshaftungsrecht der DDR dafür haftet, dass ehemalige Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR aufgrund ihrer Tätigkeit an Radargeräten der NVA gesundheitliche Schäden erlitten« (BGH - Urteil vom 7. Februar 2008 - III ZR 90/07).

Tja, wer hätte es gedacht. Da urteilte das höchste BRD - Gericht im Zusammenhang mit dem Grundlagenvertrag, 1973: »Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert […]. Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht „Rechtsnachfolger“ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat „Deutsches Reich“, – in bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings „teilidentisch“, so daß insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht. […] Sie beschränkt staatsrechtlich ihre Hoheitsgewalt auf den „Geltungsbereich des Grundgesetzes“« (2 BvF 1/73; BVerfGE 36, 1). Mit der Rechtsfolge, daß die bisherige Praxis, so die DDR-Staatsbürgerschaft nicht anzuerkennen und die DDR-Bürger weiterhin als "Deutsche" im Sinne des Grundgesetzes der BRD zu behandeln, beibehalten wurde. Weiter gab es einen 9. November 1989, dem ein 3. Oktober 1990 folgte und in der Präambel des Grundgesetzes der BRD hieß es nunmehr: »Die Deutschen [...] haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.«

Und das alles gilt offenbar nicht, wenn es um Geld geht.

Das der Beweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schweren - leider oft tödlichen - Erkrankung und der Tätigkeit an Radaranlagen schwer zu führen ist, liegt nahe. So wurden von »den 1800 Bundeswehrangehörigen, die Versorgungsanträge gestellt haben, ... bislang rund 235 als wehrdienstbeschädigt anerkannt« (mz-web.de), mithin 13 %. Von den 1.100 Fällen von NVA - Soldaten habe es »fünf positive Bescheide« gegeben, das wären 0,5 %. Ich hoffe, daß nach dem heutigen Urteil, diese "fünf positiven Bescheide" nicht zurückgezogen werden.

Noch einmal: Wenn im konkreten Fall der Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs nicht geführt werden kann, ist das für die Betroffen sehr schade. Aber die Zahlung von »Schmerzensgeld und Schadensersatz« zu verweigern, weil »die NVA nicht als "Betrieb" übernommen oder gar fortgeführt« worden sei, das "hat was" :-(

Unsere Kasernen haben sie übernommen, unsere Waffen verscherbelt und "dummes Zeug" erzählt, aber wenn mal 20.000 Euro gezahlt werden soll .... warum schreibt man da eigentlich "Radaropfer"?!

P.S. Was ist aus dem "Gesetz zur Entschädigung von Strahlenopfern der NVA" geworden, das bereits aus 2004 stammen soll? In der Bundestags - Drucksache 16/850 regt der Wehrbeauftrage »insbesondere im Hinblick auf die Entschädigung ehemaliger Angehöriger der NVA (Nationale Volksarmee) die Errichtung einer Bundesstiftung zur Entschädigung von Strahlenopfern an, um so tatsächlich Betroffene effektiv und fair entschädigen zu können.« War wohl irgendwie nix?! Es bleibt bei zweierlei Maß.

Aber die Begründung des BGH .... ich hoffe die formulieren ihre Entscheidungsbegründung "besser", als die vorläufig vorliegende Pressemitteilung.



EDIT (12.02.2008)
Zwischenzeitlich ist mir die Bundestags - Drucksache 16/2320 aufgefallen, in der die Bundesregierung zu einer Kleinen Anfrage der Fraktion "Die Linke" bezüglich der (Un-) "Gleichbehandlung der Opfer von Strahlungen an Radargeräten in der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee" Stellung nimmt.

Hier wird das ganze Dilemma der verschiedenen Statisiken, Versorgungssystemen und Zahlen im Allgemeinen deutlich. So datiert die Regierung der Bundesrepublik Deutschland den Einigungsvertrag mit der Deutschen Demokratischen Republik auf den "31. August 1991" (Hervorhebung von mir) ....

EDIT (02.03.2008)
Nunmehr liegt die schriftliche Urteilsbegründung vor: BGH - Urteil vom 7. Februar 2008 - III ZR 90/07. Und die Jungs vom Gericht sind bei ihrer Aussage geblieben: »Die Beklagte hat die NVA nicht als "Betrieb" übernommen oder gar fortgeführt. Vielmehr wurde die NVA zum Ablauf des 2. Oktober 1990 abgewickelt; lediglich bestimmte Dienstverhältnisse von Soldaten wurden übergeleitet. Im Übrigen fehlt es an einem vergleichbaren, auf die Nutzung übergegangener Vermögensgegenstände gerichteten Vertragsverhältnis. «

2 Kommentare:

  1. Hm, warum hat der ehemalige Soldat denn nicht zu DDR Zeiten geklagt, er war ja bis 71 beim Miloitär und bis 1990 wäre Zeitgewesen.

    Ein Schelm der Arges dabei denkt.
    Ich erinnere an die Politschulung, an die Großen Wandtafeln...das waren doch die Bösen... wenn es an das Zahlen geht ... sind sie plötzlich die Guten.
    RWSB www.peters.ada.de

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  2. @RWSB

    Das weiß weder ich noch Du. Ich weiß auch nicht, ob seine Erkrankung tatsächlich aus seiner Tätigkeit in der NVA rührte.

    Ich weiß aber, daß BW-Angehörige entsprechende Zahlungen erhalten. Übrigens haben die sich auch erst vor einigen Jahren erstmalig gemeldet. Das Heimtückische an dieser Krankheit ist ja eben, daß es sehr lange dauert, bis man die Folgen spürt. Und der erste flächendeckende Einsatz und die ersten Erfahrungen mit den Folgen ist in beiden Armeen nicht so wirklich lange her.

    Entscheident ist hier die Argumentation des BGH: Du kriegst nix, weil Du in der "falschen" Armee gedient hast! Noch einmal: Das Vermögen, die Werte gingen dikussionslos an den Bund, nur wenn er zahlen soll ....

    Ich unterschreibe Dir nur einen Satz aus Deiner Einlassung:
    "Ein Schelm der Arges dabei denkt."

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