Sonntag, 31. Oktober 2010

Aus der Geschichte der 43. FRBr ( Folge 15 )
















Vorbemerkung :

Nach einem aktuellen Beitrag zum Tag der Offenen Tür am 02.10.2010 in Sanitz geht es nun in der FOLGE weiter. Auch diesmal - wie bereits angekündigt - bleiben wir noch in Barth, in der Fla - Raketenabteilung 4322. Auch wenn heute der 31.10.2010 ist und es zur Abendzeit schon mal an der Haustür klingelte " Süßes, sonst gibt's Saures ! " - alles im Griff und kein Grund, mit unseren FOLGEN deshalb evtl. aufzuhören ... Jürgen Damm hatte seinen Werdegang als SaZ ( Soldat auf Zeit ) und die Erlebnisse als Gruppenführer der Diensthundestaffel im Teil I seines Berichtes geschildert. Seine Dienstzeit war im April 1969 zu Ende gegangen, dass er aber bald wieder in Barth sein würde und dann noch für eine längere Zeit, dass ahnte er damals noch nicht. Hier die Fortsetzung seiner Geschichte, der Teil II der Geschichte des Stabsfeldwebels a. D. Jürgen Damm :

" Mit meiner Versetzung in die Reserve nach meiner dreijährigen Dienstzeit in der 2.FRA Barth wurde ich am 28.04.1969 als Reserveoffiziersanwärter bestätigt und zum Oberfeldwebel befördert. Ich habe lange überlegt, ob ich mich für eine Laufbahn als Berufsunteroffizier entscheiden sollte. Familiäre Gründe gaben dann den Ausschlag, die Dienstzeit zu beenden und mit Frau und Tochter zu meinem Vater und meiner Schwester nach Berlin zu ziehen.

Hier begann ich als Zivilbeschäftigter im Wehrkreiskonmmando Berlin – Pankow zu arbeiten. Meine Aufgabe bestand in der Führung der Wehrunterlagen der gedienten Reservisten des Stadtbezirks und in der Auswahl und Einberufung der Reservisten zu Lehrgängen. Im Wehrkreiskommando war ich der jüngste Mitarbeiter und fühlte mich zur Schreibtischarbeit eigentlich zu jung. Ich war also mit meinem beruflichen Leben nicht besonders zufrieden.

Da der Kontakt zu meiner ehemaligen Einheit nie ganz abgerissen war, da die Familie meiner Frau in Barth lebt, ergab es sich, dass mir die Reaktivierung als Berufsunteroffizier angeboten wurde. Dies und die Möglichkeit, kurzfristig auch eine Wohnung am Standort zu erhalten, führten zu meiner Entscheidung, meinen Dienst in der 2. FRA Barth wieder aufzunehmen.

Am 02. März 1971 war es dann soweit ...
Nach zwei Jahren Abwesenheit trat ich meinen Dienst wieder an. Jetzt stand auch meinem Einsatz in der VS-Stelle nichts mehr im Wege und ich wurde Leiter der VS-Stelle nach Einarbeitung und entsprechender Vollzähligkeitskontrolle. Die Tätigkeit des VS-Stellenleiters empfand ich als interessant und vielseitig. Zu den täglichen Aus - und Abgabezeiten der VS - Dokumente herrschte immer Betrieb und ein reger Austausch von allen Informationen aus dem Dienst - und Wohnsiedlungsbereich. Somit kann man den VS - Stellenleiter auch als bestinformiertesten Berufsunteroffizier in der FRA bezeichnen, allerdings gab es eine ziemliche Konkurrenz durch das Personal der MHO - Gaststätte, der Servicekraft aus dem Offiziersspeisesaal und der Postmitarbeiterin in der Poststelle der Deutschen Post.

Bereits am Morgen bei der Abgabe der täglichen Stärkemeldung durch die Hauptfeldwebel der Funktechnischen Kompanie, der Startbatterie und der Technischen Kompanie war die Stimmungslage des jeweiligen Tages klar. Der Dienstalltag verging immer ziemlich rasch zwischen Kontrollen der VS-Dokumente im B-Objekt, dem Versand und Empfang der Kuriersendungen bis hin zum Ausstellen von Dienstaufträgen und Militärfahrkarten sowie dem Siegeln der Urlaubsscheine. Damit keine Langeweile aufkam, wurde ich auch zu 24 - Std. Diensten als Offizier vom Dienst ( OvD ) herangezogen - besonders an Wochenenden - oder als Streifenführer der Standortstreife.

Das Ereignis des Jahres war die jährliche Gesamtvollzähligkeitskontrolle aller Verschlußsachen in der FRA. Dazu wurde eine Kommission gebildet, die innerhalb von zwei Wochen jedes Dokument Seite für Seite auf Vollzähligkeit kontrollierte. Es ist diese Kontrolle, die einen VS-Stellenleiter innerhalb dieser 14 Tage mindest um ein Jahr und manchmal auch zwei altern läßt. Ungezählt die Stoßseufzer und das sich selbst immer wieder gegebene Versprechen, ab sofort und heute alles viel, viel gründlicher zu machen, wenn nur am Ende alles stimmt. Kaum zu bechreiben der Glücksmoment, wenn der Kontrollbericht dem Kommandeur zur Bestätigung vorliegt und alles vollzählig war. Ziemlich schnell waren aber die guten Vorsätze vergessen, wenn der Dienstalltag wieder einkehrte. Aber, nach Abschluß der Kontrolle wurde das Ergebnis ersteinmal zünftig in der Gaststätte der MHO gefeiert und mit kleinen Anekdoten aus den vergangenen zwei Wochen gewürzt ...

Das Leben der Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere bestand aber nicht nur in der Erfüllung der Aufgaben des Diensthabenden Systems der LV, der Ausbildung, Schulung und dem Training an der Gefechtstechnik sowie der ständigen Wartung und Pflege der Technik - obwohl es den größten Teil beanspruchte.

Die Berufsunteroffiziere und Offiziere hatten Ehefrauen und Kinder, die in der Wohnsiedlung doch recht abgeschieden lebten. Der morgendliche Bus für die Schüler und Kindergartenkinder füllte sich in der Adrian-Nikolajew - Siedlung fast bis auf den letzten Platz, weshalb in Barth die Siedlung auch „ Fleissige - Männer - Siedlung“ genannt wurde ... Waren die Kinder ausgeflogen, trafen sich die Frauen, die keine Arbeit in der Dienststelle hatten, zum gemeinsamen Einkauf in der winzigen Verkaufstelle der MHO und danach zum Wäschewaschen in den Waschmaschinenräumen und gemeinsamen Aufhängen der Wäsche hinter den Wohnhäusern. Eine derartige Familienidylle war auf Dauer sicher nicht die Lebenserfüllung für junge Ehepaare in einem Alter von Mitte 20 bis Anfang 40. Auch für die Soldaten und Unteroffiziere in der Kaserne war Fernsehen, Kinovorstellung und der wöchentliche Ausgang nicht die optimale Erholung.

Darüber machten sich die Politoffiziere ziemliche Gedanken und heraus kam der " Militärisch- Kulturelle Leistungsvergleich " ( kurz MiKuLei ) zwischen den FRA des Regiments und später der Brigade. Hier waren Ideen gefragt, um beim Leistungsvergleich nicht schlecht da zu stehen. Was wurde nicht alles versucht : ein Chor der Ehefrauen der Offiziere, dirigiert vom Polistellvertreter, verstärkt durch ein paar stimmlich begabte Soldaten, die sich durch lautes Singen bei der Rückkehr aus dem Ausgang für diese Aufgabe empfohlen hatten. Es wurden " musikalisch-literarische Abende " organisiert, die in der MHO - Gaststätte mit einem Glas Wein und stimmungsvollem Kerzenlicht stattfanden. Ich erinnere mich an den Titel eines Programms, das da lautete „ ein bisschen Tucholsky - ein bisschen Mathieu“. Diese Abende erfreuten sich recht großer Beliebtheit, dazu wurden auch Frauen " aus dem Regiment nebenan " eingeladen, aus der sowjetischen Jagdflieger - Garnison Pütnitz bei Ribnitz - Damgarten. Krönung des kulturellen Lebens war die Gründung eines Kabaretts in der 2. FRA und dieses war auch noch aktiv, als man den „MiKuLei“ schon fast vergessen hatte.

Wer den Dienst in einer FRA kennt, der weiß und kann bestätigen, wie schwer es ist, allein 6 Offiziere und Berufsunteroffiziere für die wöchentlichen Proben in die Klub - Baracke zu bekommen, von den Auftritten vor Publikum im Kreis Ribnitz-Damgarten ganz zu schweigen. Dem Enthusiasmus der Akteure und der mitspielenden Ehefrauen, den Texten des NVA - Kabaretts „ Die Kneifzange “ und eigener Kreationen, die in der VS-Stelle mühsam auf der Schreibmaschine getippt wurden und letzendlich der Nachsicht und Unterstützung durch den SC und Stv. K. PA ( Stellvertreter des Kommandeurs für Politische Arbeit ) war es zu danken, das diese kulturelle Betätigung zu einem Erfolg wurde.

Frei nach Goethe " ... wer sich nicht selbst zum Besten halten kann – der ist nicht von den Besten ... ", versuchten wir unseren Dienst mit all seinen Widrigkeiten auch von einer humorvollen Seite zu zeigen. Es war aber auch eine Gratwanderung, Vorgesetzte auf die Schippe zu nehmen, die man kurz darauf um ein Fahrzeug für den Transport zum nächsten Auftritt bitten musste. Mit wachsendem Bekanntheitsgrad unseres kleinen Kabaretts und der Zunahme der Auftritte, die letzlich in der Kommandierung zu Veranstaltungen in der 3. LVD und dem MB V ( Militärbezirk V ) per Fernschreiben führten, war auch der Niedergang programmiert. Ein solches Kabarett kann sich eine FRA nicht leisten und aus dem Spaß am Spiel wurde eine Pflicht nach Plan und Befehl ...

Trotzdem gehört dieses Kabarett sicher in der Erinnerung der Akteure und derer, die uns zuschauten, zu den angenehmen Erinnerungen an eine sonst ziemlich anstrengende Dienstzeit.

So beendete ich am 28.04.1978 meine Dienstzeit in der Fla - Raketenabteilung 432 in Barth nach Ablauf der Verpflichtung und fahre seit 1990 jährlich mindestens einmal in die Adrian - Nikolajew - Siedlung nach Barth, um die Erinnerung zu pflegen neben all den persönlichen Kontakten zu ehemaligen Mitstreitern, mit denen noch immer eine tiefe Verbundenheit besteht ... " - Fortsetzung folgt !

Sonntag, 24. Oktober 2010

Flugtage

Die Deutsche Demokratische Republik war zwar der Welt größte DDR, aber territorial recht klein. Dennoch ballte sich hier an der Nahtstelle zweier sich feindlich gegenüberstehenden Militärblöcke ein enormes Potential an Luftverteidigungskräften der NVA und der GSSD ... einen sehr guten Überblick grundsätzlicher Art bietet der "DDR-Luftraum mit Google Earth" auf http://www.kondruss.com/mad/ddr-luftraum/ge.htm

Aufgrund der hohen Dichte an Jagdfliegerkräften konnten die Einheiten nicht jeden Tag üben, sondern es gab spezielle Flugtage. Einen Gesamtüberblick über alle Flugtage kenne ich nicht. Zudem müßte sicher Zeitschiene beachtet werden. Jedes Jagdfliegergeschwader hatte aber seine zugewiesenen Flugtage, es waren meist drei in der Woche: Zwei Haupt- und ein Reservetag. Geflogen wurde jedoch, wenn das Wetter es ermöglichte, meist an allen drei Tagen. Die Flugdiensttage lagen meist zwei Tage auseinander.

In Preschen (JG-3) wurde z.B. Dienstag, Donnerstag und Samstag geflogen. Das der Samstag als "Reserve-Flugtag" galt, hieß praktisch nichts. Erst mit Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen in den 80ern, wurden von der 1. LVD zunehmend zwei freie Samstage für das JG im Monat befohlen ...

Bis 1985 hieß "Samstag" zudem, daß der Flugdienst grundsätzlich auch Samstags 23.30 Uhr beginnen durfte. Dann war es Sonntagfrüh 5.30 eben erst mit der Fliegerei aus. Das ITP konnte dann etwa 8.30 Uhr der Familie das Frühstück bereiten, soweit in der Wohnzone beheimatet. Üblich war wohl im Sommer der Nachtflug von 20:00 bis 02:00 Uhr.

Eine Übersicht mit Unsicherheiten:
JG-1 (Holzdorf) - Mittwoch, Freitag, Samstag ("Reserve")
JG-1 (Cottbus) - Dienstag, Donnerstag und Freitag ("Reserve")
JG-2 (Trollenhagen) - Montag, Mittwoch und Freitag ("Reserve")
JG-3 (Preschen) - Dienstag und Donnerstag, Samstag ("Reserve")
JG-7 (Drewitz) - Dienstag und Donnerstag, Samstag ("Reserve")
JG-8 (Marxwalde) - Montag, Mittwoch und Freitag ("Reserve").
JG-9 (Peenemünde) - Montag, Mittwoch und Freitag ("Reserve")

MFG-28 (Laage) - Dienstag, Donnerstag und Samstag ("Reserve")

GSSD - 833. IAP in Altes Lager / Jüterbog (ca. 20km nördlich von Holzdorf) - dort war i.d.R. am Dienstag und Donnerstag Flugtag.

Für Hinweise / Ergänzungen / Korrekturen bitte die Kommentarfunktion nutzen.

Freitag, 22. Oktober 2010

Tag der Offenen Tür in Sanitz























Vorbemerkung :

Am 30.09.2010 war in der „ Ostsee – Zeitung „ - Rostocker Ausgabe - eine kleine Notiz zu lesen mit der Überschrift „ Erinnerung an die NVA " : „ Barbara & Bernd Kirchhainer laden Interessierte am 02. Oktober ein, einen Blick in ihre Militärsammlung zu werfen ... Bei dieser Ausstellung handelt es sich um eine Vorschau auf eine Exposition, die ab dem 01. September 2012 in der Heimatstube Sanitz zu sehen sein wird. Dann wird dort „ 50 Jahre Garnisonsort Sanitz „ dokumentiert werden. „

Die Idee zu einem Tag der Offenen Tür kam eigentlich sporadisch, Auslöser waren dabei die regelmäßigen Besuche und Kontakte Ehemaliger der 43. Fla – Raketenbrigade. Ob es um Fotoalben und Zeitdokumente, um Erlebnisberichte oder um Abholung bestellter Bücher und Broschüren zur Luftverteidigung der DDR geht – immer wurde ein Blick in das „ Tradi „ geworfen. Und beim Hinausgehen natürlich auch auf die Erich Weinert – Büste …


Der 02. Oktober meinte es gut mit unserer Idee, die Sonne schien, eine Ausstellungstafel an der Hofeinfahrt zeigte den Weg, Tisch und Stühle wurden bereitgestellt, aus einem MP3 – Player war klar & deutlich das Aschuluk – Lied zu hören. Die Ausstellungsstücke waren platziert, die B / A – Kammer eingeräumt, DVD's und CD's lagen griffbereit, es konnte losgehen …

Und kurz vor 10.00 Uhr dann die ersten Besucher, einer zückte seinen alten Wehrdienstausweis und meinte : „ Ich muß mich ersteinmal ausweisen … „, verschmitzt kam hinterher „ … und hier ist ein weiterer Ausweis ! „ Stolz präsentierte er dann seine SPRENGGENEHMIGUNG. Oder hieß es SPRENGERLAUBNIS ?


An der Vordertür klingelte es bereits, ein Ehepaar aus Rostock steht vor der Tür, er hat in den 60 – ern als Unteroffizier auf dem Gefechtsstand in Dänschenburg gedient. Im „ Tradi „ meint dann seine Frau sinngemäß, also, soviel habe ich meinen Mann schon lange nicht mehr reden hören. Das Zimmer füllt sich, man schaut auf die Fotos, Urkunden, Modelle und unterhält sich vorallem dabei. Das Erinnern, das Wiedererkennen und das miteinander Sprechen stehen jetzt im Mittelpunkt. Um Platz zu machen für weitere „ Nachrücker „, werden die Stühle auf dem Hof genutzt, es treffen sich Ehemalige, die sich seit Jahrzehnten nicht mehr begegnet sind – da gibt es viel zu erzählen.

Und zu fotografieren – ein Ehemaliger aus der Fla – Raketenabteilung Abtshagen hat seinen Enkel bei sich, der dann zum Hausherren meint : „ .. darf ich Euch beide fotografieren ? „. Über soviel Spaß am Fotografieren müssen wir natürlich lachen. Es kommen sogar Besucher aus Chemnitz und Celle vorbei, die auf der Reise an die Ostseeküste einen Abstecher nach Sanitz machen. Vom nahegelegenen Imbiß wird China – Pfanne geholt, es wird gescherzt und alte Erinnerungen werden wach. Eine freudige und entspannte Atmosphäre !


Natürlich gibt es Adressenaustausch, Absprachen zur Mitarbeit bei der Vorbereitung der Ausstellung „ 50 Jahre Garnisonsort Sanitz „ usw. Aus dem Auto werden 2 Feldtelefone geholt und übergeben, nicht ohne den Vermerk „ … ohne Akku .. „ ! ein Modell einer S – 125 NEWA Fla – Rakete wird als Leihgabe hiergelassen, Wimpel & Fotos aus der NVA – Dienstzeit ebenfalls. Über 20 Besucher sind es bis 16.30 Uhr, allen hat es gefallen. Im Gästebuch finden sich dafür auch schriftliche Beweise.

Nicht nur uns hat dieser Tag Anregungen gegeben und gefallen.Wir freuen uns über den regen Gedankenaustausch und warten jetzt auf weitere Erlebnisberichte / Beiträge. Natürlich wird es den nächsten Tag der Offenen Tür im Schwarzen Weg 1 geben ...


Damit er auch leicht zu merken ist, haben wir uns für den 01. März 2011 entschieden, für Berufstätige und „Reisende“ zusätzlich der 05.03.2011 !



Sonntag, 3. Oktober 2010

Helmut Kohl mochte uns!

Es stellte sich mir bereits vor Jahren die Frage, warum "wir" einen Verwaltungsakt als Nationalfeiertag feiern. Die Franzosen begehen ihren "Sturm auf die Bastille", auch wenn sich die Geschichte wohl etwas anders abgespielt haben dürfte und der Grund offiziell ein anderer ist. Hierzulande läge der 9. November nahe, aber eine Revolutionstag zu begehen - ich meine hier natürlich die Novemberrevolution von 1918, würde dem bundesdeutschen Selbstverständnis widersprechen.

Warum der Anschluß ausgerechnet am 3. Oktober 1990 erfolgte, ist seit zehn Jahren Dank Reinhard Höppner bekannt: » .... wie schließlich in der Nacht vom 22. zum 23. August 1990 um 3 Uhr der Beitrittstermin 3. Oktober 1990 beschlossen worden ist. Die Sitzung endete laut Protokoll um 3 Uhr nachts. Übrigens, Frau Bergmann-Pohl, wir fürchteten damals schon den 41. Jahrestag der DDR. Deswegen mussten wir das vor dem 7. Oktober 1990 machen.«

Aus der Rede des Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Reinhard Höppner, anlässlich der "Sonderveranstaltung zum 10. Jahrestag der ersten freien Volkskammerwahl der DDR" (offline).

Die amtierende Bundeskanzlerin Frau Merkel lies es sich zehn Jahre später nicht nehmen, diese Aussage zu bekräftigen:

»Warum ist eigentlich der 3. Oktober unser Nationalfeiertag?
Das weiß Helmut Kohl am besten zu erzählen. Wenn ich mich recht erinnere, sollte ein Tag ausgesucht werden, der trotz Herbst noch ein bisschen warm sein konnte. Außerdem sollte es vor dem 7. Oktober sein, damit der 41. Jahrestag der DDR nicht etwa noch gefeiert werden musste. Und im Vorfeld des ersten Einheitstages am 3. Oktober 1990 waren die 2+4-Gespräche über die außenpolitischen Aspekte der Einheit noch in Ruhe abzuwickeln.«

Sie schließt die Worte an:
»Helmut Kohl hat vor dem Fall der Mauer die DDR regelmäßig besucht ... Für uns war besonders wichtig, dass man bei ihm im Gegensatz zu Oskar Lafontaine immer den Eindruck hatte: Helmut Kohl mochte uns!« :-))
BILD vom 03.10.10

Jetzt wissen wir, warum der Verwaltungsakt vom 3. Oktober 1990 gefeiert wird:
- es sollte schön warm, sowie
- nach dem 12. September aber
- vor dem 7. Oktober 1990 sein und
- "Helmut Kohl mochte uns!"

Wer ist eigentlich "uns"?

Samstag, 2. Oktober 2010

Teufel Alkohol

Ich glaubte in der Vergangenheit - ohne darüber weiter nachzudenken - daß damals in der DDR mehr Alkohol getrunken wurde, als vergleichsweise in der BRD sowie der besonderen politischen Einheit Berlin (West). Vor einigen Jahren fand ich jedoch folgende Statistik, die - mit Ausnahme der letzten Krisenjahre - das Gegenteil belegt: "Jahrbuch Sucht", verschiedene Jahrgänge (in "Info-Broschüre" der Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V., Hamm). Daraus gehen folgende Zahlen, umgerechnet in reinen Alkohol, hervor:

Pro-Kopf-Konsum in den Jahren, bis
MySpace Graphics
BRD 1960 -> 7,3 Liter
DDR 1960 -> 5,2 Liter

BRD 1970 -> 10,8 Liter
DDR 1970 -> 7,3 Liter

BRD 1980 -> 12,5 Liter
DDR 1980 -> 12,0 Liter

BRD 1990 -> 11,8 Liter
DDR 1990 -> 12,9 Liter

Also in dem Jahr^^^zehnt, als statistisch mehr im Osten als im Westen gesoffen wurde, kam es zur sog. Wiedervereinigung. Dies erklärt alles ;-))

Ich habe mal nachgesehen, wie andere mit diesem Credo "Wessis soffen mehr als Ossis" umgehen. Hier am an zwei Zitaten der "Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" in "DDR - GESCHICHTE(N)", Zusammengestellt aus Anlass des 4. Stipendiaten-Kolloquiums am 27. und 28. Februar 2004 in Berlin.

* [DDR] »Von Mitte der fünfziger Jahre bis 1988 erhöhte sich der durchschnittliche Bierkonsum von 68,5 auf 143,0 Liter. Zum Vergleich: 1999 trank jeder Deutsche 127,5 Liter Gerstensaft.«
-> Ahhh' clever:
- unterschiedliche Zeitschiene
- keine Berücksichtigung der süddeutschen und anderen Weintrinker.

* »Beachtlicher noch sind die ostdeutschen Zahlen in puncto "harte" Sorten: 1955 schluckte der DDR-Durchschnittsbürger 4,4 Liter Weinbrand, Klaren und Likör, 1988 dagegen 16,1 Liter. Das sind pro Kopf 23 Flaschen!«
-> Jetzt haben wir keinen Westvergleich mehr, nur noch den - berechtigten - Horror vor dem alltäglichen Alkoholismus.

Aber ich will nicht einfach den Stab über den wackeren Autor aus 2004 brechen, in einem hat er meine uneingeschränkte Zustimmung:
-> »In der DDR-Gesellschaft existierte ein besonderer Umgang mit Alkohol und Alkoholrausch, es gab eine eigene Kultur des Trinkens und Berauschens.«

Es wurde nach meiner Beobachtung mehr öffentlich, d.h. im Kollektiv bei der "Brigadefeier" gesoffen - heute vorm Fernseher und allein. Vorsorglich: In den Kneipen scheitert das regelmäßige "Besaufen" für die breite Masse heute bereits am Preis und die ab 1990 zu beobachtenden "Trinkerkollektive" vor den Kaufhallen sind auch deutlich kleiner geworden.

Alkohol Macht Diszipliniert Graphics & Alkohol Macht Diszipliniert Pictures

Putsch gegen die deutsche Einheit II

Der Dokumentarfilm "Putsch gegen die deutsche Einheit" aus dem Hause Guido Knoop lief letzten Sonntag im ZDF. Die m.E. inhaltlich schlecht umgesetzte Doku über die Tage vor der Unterzeichnung des 2+4-Vertrages hat einen Ahha-Effekt ausgelöst ... sorry, bei mir dauert es gern etwas länger:

Die mutmaßlichen und tatsächlichen Putschisten von 1990 und 1991 waren allesamt Gorbatschow-Leute, die lediglich erkannten, auf das falsche "Pferd" gesetzt zu haben, nämlich auf die Union.

Während ihre konkurrierenden "Reformer" sich in den Teilrepubliken, vor allem Rußland selbst, die Pfründe sicherten und zu Lasten der Union massiv ausbauten, zerfiel "ihre" Union und sie sahen sich ins politische "Nichts" fallen. Das löste ihre inkonsequenten Aktionen aus. Gorbatschow selbst spielte - wie im Film auch deutlich gesagt wird - mit den Putschgerüchten, um seine Leute (wieder) um sich zu scharren und ggf. die eine oder andere Milliarde mehr vom Westen zu bekommen, um die Folgen seiner desaströsen Politik zu überdecken und z.B. Lohnzahlungen sicherzustellen.

Wenn ich noch dazu bedenke, daß die Putschgerüchte 1990 von lediglich zwei Majoren der Luftlandetruppen und einer ihrer Vertrauensleute im Obersten Sowjet geschürt wurden, dann weiß ich auch nicht, was ich von diesem Gerücht zu halten habe.

Mein Fazit: Es gab 1990 bereits keinen Akteur der Willens und Fähig war, die alten, sozialistischen Verhältnisse wieder herzustellen, alles was sich abspielte, waren Verteilungkämpfe innerhalb der Gorbatschow-Leute. Der Anschluß der DDR an die BRD war zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr in Gefahr, es ging höchstens noch um den Preis - und hier auch nur noch um Peanuts.

In der DDR würde ich diesen "Point of no Return" auf den Sonderparteitag der SED am 9. Dezember 1989 legen, als die "Reformer" endgültig an die "Macht" kamen und Anfang des Jahres 1990 versuchten ihren am 4. November 1989 auf dem Alex artikulierten "Führungsanspruch" unter den gegebenen Bedingungen über eine Konföderation mit der BRD zu sichern.

Es ist zuzugeben, daß nicht allen Akteuren das damals wohl selbst so klar war.
Link: http://ddr-luftwaffe.blogspot.com/2010/09/putsch-gegen-die-deutsche-einheit.html