Sonntag, 31. Oktober 2010

Aus der Geschichte der 43. FRBr ( Folge 15 )
















Vorbemerkung :

Nach einem aktuellen Beitrag zum Tag der Offenen Tür am 02.10.2010 in Sanitz geht es nun in der FOLGE weiter. Auch diesmal - wie bereits angekündigt - bleiben wir noch in Barth, in der Fla - Raketenabteilung 4322. Auch wenn heute der 31.10.2010 ist und es zur Abendzeit schon mal an der Haustür klingelte " Süßes, sonst gibt's Saures ! " - alles im Griff und kein Grund, mit unseren FOLGEN deshalb evtl. aufzuhören ... Jürgen Damm hatte seinen Werdegang als SaZ ( Soldat auf Zeit ) und die Erlebnisse als Gruppenführer der Diensthundestaffel im Teil I seines Berichtes geschildert. Seine Dienstzeit war im April 1969 zu Ende gegangen, dass er aber bald wieder in Barth sein würde und dann noch für eine längere Zeit, dass ahnte er damals noch nicht. Hier die Fortsetzung seiner Geschichte, der Teil II der Geschichte des Stabsfeldwebels a. D. Jürgen Damm :

" Mit meiner Versetzung in die Reserve nach meiner dreijährigen Dienstzeit in der 2.FRA Barth wurde ich am 28.04.1969 als Reserveoffiziersanwärter bestätigt und zum Oberfeldwebel befördert. Ich habe lange überlegt, ob ich mich für eine Laufbahn als Berufsunteroffizier entscheiden sollte. Familiäre Gründe gaben dann den Ausschlag, die Dienstzeit zu beenden und mit Frau und Tochter zu meinem Vater und meiner Schwester nach Berlin zu ziehen.

Hier begann ich als Zivilbeschäftigter im Wehrkreiskonmmando Berlin – Pankow zu arbeiten. Meine Aufgabe bestand in der Führung der Wehrunterlagen der gedienten Reservisten des Stadtbezirks und in der Auswahl und Einberufung der Reservisten zu Lehrgängen. Im Wehrkreiskommando war ich der jüngste Mitarbeiter und fühlte mich zur Schreibtischarbeit eigentlich zu jung. Ich war also mit meinem beruflichen Leben nicht besonders zufrieden.

Da der Kontakt zu meiner ehemaligen Einheit nie ganz abgerissen war, da die Familie meiner Frau in Barth lebt, ergab es sich, dass mir die Reaktivierung als Berufsunteroffizier angeboten wurde. Dies und die Möglichkeit, kurzfristig auch eine Wohnung am Standort zu erhalten, führten zu meiner Entscheidung, meinen Dienst in der 2. FRA Barth wieder aufzunehmen.

Am 02. März 1971 war es dann soweit ...
Nach zwei Jahren Abwesenheit trat ich meinen Dienst wieder an. Jetzt stand auch meinem Einsatz in der VS-Stelle nichts mehr im Wege und ich wurde Leiter der VS-Stelle nach Einarbeitung und entsprechender Vollzähligkeitskontrolle. Die Tätigkeit des VS-Stellenleiters empfand ich als interessant und vielseitig. Zu den täglichen Aus - und Abgabezeiten der VS - Dokumente herrschte immer Betrieb und ein reger Austausch von allen Informationen aus dem Dienst - und Wohnsiedlungsbereich. Somit kann man den VS - Stellenleiter auch als bestinformiertesten Berufsunteroffizier in der FRA bezeichnen, allerdings gab es eine ziemliche Konkurrenz durch das Personal der MHO - Gaststätte, der Servicekraft aus dem Offiziersspeisesaal und der Postmitarbeiterin in der Poststelle der Deutschen Post.

Bereits am Morgen bei der Abgabe der täglichen Stärkemeldung durch die Hauptfeldwebel der Funktechnischen Kompanie, der Startbatterie und der Technischen Kompanie war die Stimmungslage des jeweiligen Tages klar. Der Dienstalltag verging immer ziemlich rasch zwischen Kontrollen der VS-Dokumente im B-Objekt, dem Versand und Empfang der Kuriersendungen bis hin zum Ausstellen von Dienstaufträgen und Militärfahrkarten sowie dem Siegeln der Urlaubsscheine. Damit keine Langeweile aufkam, wurde ich auch zu 24 - Std. Diensten als Offizier vom Dienst ( OvD ) herangezogen - besonders an Wochenenden - oder als Streifenführer der Standortstreife.

Das Ereignis des Jahres war die jährliche Gesamtvollzähligkeitskontrolle aller Verschlußsachen in der FRA. Dazu wurde eine Kommission gebildet, die innerhalb von zwei Wochen jedes Dokument Seite für Seite auf Vollzähligkeit kontrollierte. Es ist diese Kontrolle, die einen VS-Stellenleiter innerhalb dieser 14 Tage mindest um ein Jahr und manchmal auch zwei altern läßt. Ungezählt die Stoßseufzer und das sich selbst immer wieder gegebene Versprechen, ab sofort und heute alles viel, viel gründlicher zu machen, wenn nur am Ende alles stimmt. Kaum zu bechreiben der Glücksmoment, wenn der Kontrollbericht dem Kommandeur zur Bestätigung vorliegt und alles vollzählig war. Ziemlich schnell waren aber die guten Vorsätze vergessen, wenn der Dienstalltag wieder einkehrte. Aber, nach Abschluß der Kontrolle wurde das Ergebnis ersteinmal zünftig in der Gaststätte der MHO gefeiert und mit kleinen Anekdoten aus den vergangenen zwei Wochen gewürzt ...

Das Leben der Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere bestand aber nicht nur in der Erfüllung der Aufgaben des Diensthabenden Systems der LV, der Ausbildung, Schulung und dem Training an der Gefechtstechnik sowie der ständigen Wartung und Pflege der Technik - obwohl es den größten Teil beanspruchte.

Die Berufsunteroffiziere und Offiziere hatten Ehefrauen und Kinder, die in der Wohnsiedlung doch recht abgeschieden lebten. Der morgendliche Bus für die Schüler und Kindergartenkinder füllte sich in der Adrian-Nikolajew - Siedlung fast bis auf den letzten Platz, weshalb in Barth die Siedlung auch „ Fleissige - Männer - Siedlung“ genannt wurde ... Waren die Kinder ausgeflogen, trafen sich die Frauen, die keine Arbeit in der Dienststelle hatten, zum gemeinsamen Einkauf in der winzigen Verkaufstelle der MHO und danach zum Wäschewaschen in den Waschmaschinenräumen und gemeinsamen Aufhängen der Wäsche hinter den Wohnhäusern. Eine derartige Familienidylle war auf Dauer sicher nicht die Lebenserfüllung für junge Ehepaare in einem Alter von Mitte 20 bis Anfang 40. Auch für die Soldaten und Unteroffiziere in der Kaserne war Fernsehen, Kinovorstellung und der wöchentliche Ausgang nicht die optimale Erholung.

Darüber machten sich die Politoffiziere ziemliche Gedanken und heraus kam der " Militärisch- Kulturelle Leistungsvergleich " ( kurz MiKuLei ) zwischen den FRA des Regiments und später der Brigade. Hier waren Ideen gefragt, um beim Leistungsvergleich nicht schlecht da zu stehen. Was wurde nicht alles versucht : ein Chor der Ehefrauen der Offiziere, dirigiert vom Polistellvertreter, verstärkt durch ein paar stimmlich begabte Soldaten, die sich durch lautes Singen bei der Rückkehr aus dem Ausgang für diese Aufgabe empfohlen hatten. Es wurden " musikalisch-literarische Abende " organisiert, die in der MHO - Gaststätte mit einem Glas Wein und stimmungsvollem Kerzenlicht stattfanden. Ich erinnere mich an den Titel eines Programms, das da lautete „ ein bisschen Tucholsky - ein bisschen Mathieu“. Diese Abende erfreuten sich recht großer Beliebtheit, dazu wurden auch Frauen " aus dem Regiment nebenan " eingeladen, aus der sowjetischen Jagdflieger - Garnison Pütnitz bei Ribnitz - Damgarten. Krönung des kulturellen Lebens war die Gründung eines Kabaretts in der 2. FRA und dieses war auch noch aktiv, als man den „MiKuLei“ schon fast vergessen hatte.

Wer den Dienst in einer FRA kennt, der weiß und kann bestätigen, wie schwer es ist, allein 6 Offiziere und Berufsunteroffiziere für die wöchentlichen Proben in die Klub - Baracke zu bekommen, von den Auftritten vor Publikum im Kreis Ribnitz-Damgarten ganz zu schweigen. Dem Enthusiasmus der Akteure und der mitspielenden Ehefrauen, den Texten des NVA - Kabaretts „ Die Kneifzange “ und eigener Kreationen, die in der VS-Stelle mühsam auf der Schreibmaschine getippt wurden und letzendlich der Nachsicht und Unterstützung durch den SC und Stv. K. PA ( Stellvertreter des Kommandeurs für Politische Arbeit ) war es zu danken, das diese kulturelle Betätigung zu einem Erfolg wurde.

Frei nach Goethe " ... wer sich nicht selbst zum Besten halten kann – der ist nicht von den Besten ... ", versuchten wir unseren Dienst mit all seinen Widrigkeiten auch von einer humorvollen Seite zu zeigen. Es war aber auch eine Gratwanderung, Vorgesetzte auf die Schippe zu nehmen, die man kurz darauf um ein Fahrzeug für den Transport zum nächsten Auftritt bitten musste. Mit wachsendem Bekanntheitsgrad unseres kleinen Kabaretts und der Zunahme der Auftritte, die letzlich in der Kommandierung zu Veranstaltungen in der 3. LVD und dem MB V ( Militärbezirk V ) per Fernschreiben führten, war auch der Niedergang programmiert. Ein solches Kabarett kann sich eine FRA nicht leisten und aus dem Spaß am Spiel wurde eine Pflicht nach Plan und Befehl ...

Trotzdem gehört dieses Kabarett sicher in der Erinnerung der Akteure und derer, die uns zuschauten, zu den angenehmen Erinnerungen an eine sonst ziemlich anstrengende Dienstzeit.

So beendete ich am 28.04.1978 meine Dienstzeit in der Fla - Raketenabteilung 432 in Barth nach Ablauf der Verpflichtung und fahre seit 1990 jährlich mindestens einmal in die Adrian - Nikolajew - Siedlung nach Barth, um die Erinnerung zu pflegen neben all den persönlichen Kontakten zu ehemaligen Mitstreitern, mit denen noch immer eine tiefe Verbundenheit besteht ... " - Fortsetzung folgt !

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