Samstag, 2. Oktober 2010

Teufel Alkohol

Ich glaubte in der Vergangenheit - ohne darüber weiter nachzudenken - daß damals in der DDR mehr Alkohol getrunken wurde, als vergleichsweise in der BRD sowie der besonderen politischen Einheit Berlin (West). Vor einigen Jahren fand ich jedoch folgende Statistik, die - mit Ausnahme der letzten Krisenjahre - das Gegenteil belegt: "Jahrbuch Sucht", verschiedene Jahrgänge (in "Info-Broschüre" der Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V., Hamm). Daraus gehen folgende Zahlen, umgerechnet in reinen Alkohol, hervor:

Pro-Kopf-Konsum in den Jahren, bis
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BRD 1960 -> 7,3 Liter
DDR 1960 -> 5,2 Liter

BRD 1970 -> 10,8 Liter
DDR 1970 -> 7,3 Liter

BRD 1980 -> 12,5 Liter
DDR 1980 -> 12,0 Liter

BRD 1990 -> 11,8 Liter
DDR 1990 -> 12,9 Liter

Also in dem Jahr^^^zehnt, als statistisch mehr im Osten als im Westen gesoffen wurde, kam es zur sog. Wiedervereinigung. Dies erklärt alles ;-))

Ich habe mal nachgesehen, wie andere mit diesem Credo "Wessis soffen mehr als Ossis" umgehen. Hier am an zwei Zitaten der "Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" in "DDR - GESCHICHTE(N)", Zusammengestellt aus Anlass des 4. Stipendiaten-Kolloquiums am 27. und 28. Februar 2004 in Berlin.

* [DDR] »Von Mitte der fünfziger Jahre bis 1988 erhöhte sich der durchschnittliche Bierkonsum von 68,5 auf 143,0 Liter. Zum Vergleich: 1999 trank jeder Deutsche 127,5 Liter Gerstensaft.«
-> Ahhh' clever:
- unterschiedliche Zeitschiene
- keine Berücksichtigung der süddeutschen und anderen Weintrinker.

* »Beachtlicher noch sind die ostdeutschen Zahlen in puncto "harte" Sorten: 1955 schluckte der DDR-Durchschnittsbürger 4,4 Liter Weinbrand, Klaren und Likör, 1988 dagegen 16,1 Liter. Das sind pro Kopf 23 Flaschen!«
-> Jetzt haben wir keinen Westvergleich mehr, nur noch den - berechtigten - Horror vor dem alltäglichen Alkoholismus.

Aber ich will nicht einfach den Stab über den wackeren Autor aus 2004 brechen, in einem hat er meine uneingeschränkte Zustimmung:
-> »In der DDR-Gesellschaft existierte ein besonderer Umgang mit Alkohol und Alkoholrausch, es gab eine eigene Kultur des Trinkens und Berauschens.«

Es wurde nach meiner Beobachtung mehr öffentlich, d.h. im Kollektiv bei der "Brigadefeier" gesoffen - heute vorm Fernseher und allein. Vorsorglich: In den Kneipen scheitert das regelmäßige "Besaufen" für die breite Masse heute bereits am Preis und die ab 1990 zu beobachtenden "Trinkerkollektive" vor den Kaufhallen sind auch deutlich kleiner geworden.

Alkohol Macht Diszipliniert Graphics & Alkohol Macht Diszipliniert Pictures

2 Kommentare:

  1. Wo ist das jahr 2011

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  2. Endlich aus im Meanstream angekommen: »Gängige Vorurteile lassen sich allesamt widerlegen. Weder wurde in der DDR mehr Alkohol getrunken als im Westen, noch wollten sich die Ostdeutschen das Leben schön saufen, noch trachtete die Partei- und Staatsführung danach, den Bürgern mit Schnaps die Wahrnehmung der Realität zu erschweren. Statistisch gesehen trank man 1988 im Osten elf Liter reinen Alkohol pro Kopf und Jahr - im Westen waren es 11,8 Liter. Der Unterschied findet sich im Detail: Nicht beim Bier zwar - da lag der Pro-Kopf-Verbrauch ähnlich wie im Westen bei rund 145 Litern - aber bei Schnaps und Wein. Bei Hochprozentigen behauptete die DDR 1987 mit einem Verbrauch von 16,1 Liter pro Kopf die internationale Spitzenposition, die Westdeutschen süffelten zehn Liter weniger, tranken dafür aber mit fast 25 Litern Wein pro Nase und Jahr quasi doppelt so viel wie die Ostdeutschen.«
    Über eine Ausstellung von Thomas Kochan in Jena:
    http://www.insuedthueringen.de/regional/feuilleton/th/fwfeuilleton/Stilvoll-trinken-bis-zum-Vollrausch;art83476,2080051

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