Montag, 31. Oktober 2011

Aus der Geschichte der Stadt Barth




Vorbemerkung:
Zuerst eine Entschuldigung. Angedacht ist, immer einmal pro Monat einen Beitrag auf unserer Seite SANITZ zu veröffentlichen. Entweder zur Reihe "Aus der Geschichte der 43.Fla-Raketenbrigade "Erich Weinert" oder zu unserem Projekt Ausstellung "50 Jahre Garnisonsort Sanitz" bzw. zum Stand der Vorbereitungen zur Ausgabe eines Buches über die 43.FRBr oder zu den Tagen der offenen Tür im TRADI in Sanitz usw. Wir haben es nicht geschafft. Zwar hatten wir geahnt, dass es viel Arbeit machen wird, aber das Projekt Buch nimmt uns voll in seine "Arme"! Der heutige Beitrag soll die Serie "Aus der Geschichte der Stadt Barth" fortsetzen. Der Major a. D. Karl Pirl aus der ehemaligen Fla-Raketenabteilung 4322 hatte im Stadtarchiv Barth zu dem Thema recherchiert. Hier aus seinen unveröffentlichten Aufzeichnungen:

" Ihrer Bewacher ledig, übernahmen Oberst Hubert Zemke (USAAF) und Group Captain Cecil T. Weir (RAF) die Führung des Lagers. Der von ihnen am 01. Mai ausgesandte Spähtrupp kehrte schon einen Tag später, am 02. Mai, mit dem sowjetischen Leutnant Karmyzoff von Löbnitz zurück.In einer bemerkenswerten Aktion werden alle ehemaligen Kriegsgefangenen im Zeitraum vom 12. bis 14. Mai 1945 durch die 8. Luftarmee der US Air Force vom Fliegerhorst Barth nach Großbritannien und Frankreich ausgeflogen. Die US-Amerikaner und Canadier setzen von Le Havre aus ihre Heimreise per Schiff fort. Mit dem letzten Flugzeug verließen Oberst Zemke und Captain Weir Barth. Interessant hier folgendes: Stalin hatte festgelegt, dass diese ehemaligen Kriegsgefangenen erst ausgeflogen werden sollten, wenn die Bestätigung der West-Allierten zur Übergabe der von ihnen gefangenen Wlassow-Soldaten an die sowjetische Seite vorliegen würde. Oberst Zemke und die Amerikaner warteten aber nicht auf die Freigabe aus Moskau, sondern organisierten zügig den Abflug der ehemaligen Häftlinge von Stalag Luft 1. Nach diesem politischen Tauziehen verlief die "operation Revival" ohne technische Probleme. Unmittelbar an der Abflugstelle auf dem Flugplatz befand sich eine Fertigungsstätte für das neuentwickelte einstrahlige deutsche Jagdflugzeuges He 162. Die sowjetischen Offiziere achteten darauf, dass dieser Bereich nicht von den amerikanischen und englischen Verbündeten betreten bzw. fotografiert wurde. Nun war man von sowjetischer Seite aus bestrebt, so schnell wie möglich die Rückführung zu ermöglichen.

In Barth gab es, wie bereits ausgeführt, noch Außenlager des KZ Ravensbrück. Es war errichtet worden für die Zwangsarbeit für das sogenannte "Müller"-Werk, einer Produktionsstätte der Heinkel-Flugzeugwerke. Nach der Bombardierung und teilweisen Zerstörung des Stammwerkes in Rostock im Jahre 1942 wurden Produktionsstätten ausgelagert und Betriebsteile dezentralisiert. Der erste Transport von Häftlingen erreichte das spätere Lager auf dem Gelände des Fliegerhorstes am 09.November 1943. Drei Luftwaffenkasernen mit den Nr. 14-16 waren für männliche Häftlinge eingerichtet worden und drei weitere Gebäude mit den laufenden Nr. 11-13 für Frauen. Dazu ein Küchentrakt, das ganze mit dreifachen Stacheldrahtzaun und Wachtürmen umgeben. Ca. 1.500 KZ-Häftlinge waren ständig in der Produktion von Flugzeugen eingesetzt und mußten dort schuften. Da eine hohe Sterblichkeitsrate besonders im Frauenlager herrschte, wurden in mehreren Transporten regelmäßig weitere Häftlinge aus dem KZ nachgeführt. Schätzungsweise 6.000-7.000 Häftlinge insgesamt, davon überlebten ca. 2.000 Gefangene durch Ausbeutung, Hunger, Krankeit und SS-Terror nicht. Am 16. April 1945 begann die Rote Armee ihre große Offensive an Oder und Neiße. Die oben im Norden operierende 2. Belorussische Front unter Rokossowski konnte nach heftigen deutschen Abwehrkämpfen am 20.04. südlich von Stettin über die Untere Oder durchbrechen. In Barth begann die SS-Wachmannschaft, die ersten Marschkolonnen für die Verlegung der KZ-Häftlinge zusammenzustellen. Am 29./30. April begannen die ersten Märsche Richtung Rostock. Am 01.Mai Nachmittags bereits besetzten sowjetische Truppen in Rostock das Stammwerk der Heinkel-Flugzeugwerke. Stralsund war ebenfalls erreicht worden und die Befreiung der KZ-Häftlinge in Barth stand unmittelbar bevor. Der 01. Mai in Barth war es recht kühl und unfreundlich. Die Nachricht von der Evakuierung des KZ war bereits wie ein Lauffeuer durch die Stadt gegangen. Seit den frühen Morgenstunden war wieder zu beobachten, wie die Gefangenen beiderlei Geschlechts durch die SS-Leute eiligst zusammengetrieben wurden. In einzelnen Gruppen an der Hauptstraße aufgestellt, verließen sie in Eilmärschen Barth in Richtung Löbnitz! Wer zu schwach war und nicht mithalten konnte, wurde erschossen. Dutzende ermordete Häftlinge lagen an den Straßenrändern, sie überlebten diese letzten Strapazen nicht mehr. 15 km vor Rostock erreichten sowjetische Truppen die Marschblöcke, die sich zumeist schon aufgelöst hatten, da ihre Bewacher kurz vorher sie ihrem Schicksal überlassen hatten und geflüchtet waren. In Barth zogen dann am 02. Mai 1945 sowjetische Einheiten ein.Mit der Kapitulation Deutschlands endete die Garnison Barth. Das Stadtbild wurde in den Folgejahren dennoch von Uniformen geprägt, von sowjetischen.Nach dem die Gebäude und Anlagen des Fliegerhorstes, der Flak-Kaserne und des Rüstungsbetriebes Pommerschen Industriewerke gesprengt waren, verließen diese Soldaten 1949 die Stadt Barth." - Fortsetzung folgt!




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