Samstag, 28. Dezember 2013

Durchschnittseinkommen in der DDR

Auf meiner Website beschäftig(t)e ich mich auch mit der Höhe der Besoldung in der NVA. Insbesondere das zu Vergleichszwecken angegebene "durchschnittliche Nettoarbeitseinkommen im Monat, 1989" für einen "Arbeiter und Angestellte im VEB:   1.136 Mark" erregt regelmäßig Widerspruch. Quelle der Vergleichsangaben bildet das Buch "Armut in der 'DDR'-Bevölkerung, Lebensstandard und Konsumtionsniveau vor und nach der Wende" von Günter Manz. Dieser Autor bezog sich wiederum für das Jahr 1989 auf  die entsprechende Angabe des Statistischen Amtes der DDR 1990, S. 144.

Aber, was gilt schon DDR-Statistik, wenn Jahre davor die BRD bspw. nur 850 M publizierte (Quellenangabe folgt noch)?! Ich habe mich mal gekümmert und mir das westdeutsche Grundlagenwerk zum Thema Einkommen in der DDR besorgt:
 
DIW-Heft 85/1985 mit dem Titel "Geldeinkommen in der DDR von 1955 bis zu Beginn der achziger Jahre".
 
Vorab: Bei allen Details des 239-seitigen A4-Heftes, die banale Angabe eines Durchschnittsnettoeinkommen pro Kopf ist nicht enthalten.
 
Neben der enormen Detailverliebtheit, vom Einkommen aus Flaschenpfand, über Versicherungs- und Lotterieeinnahmen bis zur Entwicklung der Normerfüllung und des Prämiensystems, beeindruckt die Anzahl der verwendeten Quellen: Von der amtlichen Statistik, über westdeutsche Vorpublikationen, DDR-Lehrbüchern bis zur "Volksstimme" vom 19.1.1980 wurde wohl alles für die "eig. Berechnungen und Schätzungen" verwendet, was "bei 3 nicht auf dem Baum, war" ;-)
 
Ziel der Publikation war eher die Lohnspreizungen in der DDR, zwischen den Bezirken sowie vom Boten bis zum Chefarzt aufzuzeigen. Im Fazit heißt es dann auch bedauernd, daß die Einkommensverteilung im Konsens mit der Bevölkerung "homogener" geworden sei, was aber kaum "als Positivum zu bewerten" wäre.
 
Das Heft enthält zudem einen umfangreichen Methodik-Anhang und ein Literaturverzeichnis (29 Seiten), in dem auch auf die Unsicherheiten der Berechnungen hingewiesen wird und warum man sich mit absoluten Zahlen so schwer tat.
 
Das hielt das BMiB nicht ab, wiederum darauf aufbauend eigene Berechnungen anzustellen sowie zu publizieren und so für 1982 auf durchschnittlich rd. 850 M Nettoeinkommen "pro Arbeitnehmer" zu kommen. Diese Berechnung hat mich interessiert:
 
Die "Fachleute" für die DDR nahmen offenbar die "Geldeinnahmen aus Erwerbstätigkeit (netto)" für 1982 i.H. von 80,3 Mrd. M (Übersicht 41; S. 136) und teilten diese schlicht durch 7.950.000 "Arbeiter und Angestellte" (Tabelle 1; S. 181) sowie 12 Monate. Das ergibt rechnerisch knapp jene 850 M pro Monat netto.
 
Die Abgrenzung des DIW erfolgte ausdrücklich abweichend von der amtlichen DDR-Statistik. Enthalten sind u.a. alle Spielarten von LPG, PGH und "mithelfenden Familienmitgliedern, "beschäftigten Rentner". Lehrlinge sind überraschenderweise separat ausgewiesen. Wenn ich diese Aussagen im Heft richtig interpretiere, beinhalten die Angaben der amtlichen DDR-Statistik insoweit nur Einkommen "in der sozialistischen Wirtschaft ohne nichtproduzierende Zweige", also lediglich den vollbeschäftigten "Arbeiter und Angestellten" schlechthin. Da fehlt mir der Zugriff auf originäre Erläuterungen der DDR-Statistik ... aber das konnten die 1984 in Westberlin sicherlich "besser".
 
Ergänzend vielleicht noch die Angabe der "Geldeinnahmen pro Kopf der Bevölkerung" für 1982 (Tabelle 4; S. 187) i.H. von 7.900 Mark, d.h. pro Baby, Kind, Greis, Rentner, Arbeiter, Bauer etc., einschl. Flaschenpfanderlöse, Krankengeld usw. Natürlich bekam man in Berlin am Meisten: 10.200 M und in Frankfurt / Oder am Wenigsten: 7.100 M. Irgendwo im Heft wurde der durchschnittliche DDR-Haushalt (einschl. Rentner-, Singlehaushalte) mit 2,9 Personen angegeben. Bei Ansatz der BMiB - Berechnungsmethode ergäbe das ein Arbeitseinkommen von jeweils mindestens 955 M pro Monat.  Wenn also, bereits 1982 rd. 1.000 M monatlich im Durchschnitt "für alle" gezahlt wurde, liegen 7 Jahre später "1.136 M" für "Arbeiter und Angestellte im VEB" resp. "in der sozialistischen Wirtschaft ohne nichtproduzierende Zweige", also "lediglich" für den vollbeschäftigten "Arbeiter und Angestellten" schlechthin, sehr nahe.

Anmerkungen: Die angegebenen Prämienhöhen irritieren mich allerdings (Übersicht 26; S. 98). Demnach erhielt ein Vollbeschäftigter in der "zentralgeleiteten volkseigenen Industrie" 1982 im Durchschnitt 1.233 M an "im Berichtsjahr gezahlten Prämien", zzgl. 828 M an Jahresendprämie. Das wären Prämien i.H. von über 2.000 M im Jahr gewesen ... im Durchschnitt wohlgemerkt! Ich vermute, daß in der erstgenannten Prämie auch alle Formen von Kollektivprämien, Sachprämien mit enthalten sind.
 
Interessant ist, das die Einkommen in der DDR ab 1974 deutlich gestiegen sind: "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" ... leider scheint es an der Wirtschaftspolitik aus verschiedenen Gründen gehapert zu haben.
 
Fazit: Alles eine Frage der Definition und Abgrenzungen ... die naheliegend interessengeleitet umgesetzt werden.

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