Samstag, 10. Januar 2015

Kindergartenerziehung

Aufgrund einer angeregten Diskussion über die Kindergartenerziehung in der DDR bin ich 500 km gefahren und habe nun ein 288seitiges Buch vor mir liegen. Es trägt den Titel:

"Programm für die Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kindergarten" (1985)

Das Programm trat am 1. September 1985 in Kraft und "Der Minister für Volksbildung M. Honecker" zeichnete sich verantwortlich. Es galt für Kinder ab den 3. vollendeten Lebensjahr für jeweils 3 Jahre. Es gab mindestens einen, ggf. zwei, Vorläufer seit den 1960ern, vgl. den von 1977
Bildungs- und Erziehungsplan für den Kindergarten DDR Gebundene Ausgabe – 1977 (Amazon)

Vorher mußte sich jede Erzieherin allein durchwursteln. Für den heutigen BRD-Alltag siehe:
http://www.gew.de/Bildungsplaene.html
http://www.kindergartenpaedagogik.de/1951.html

Inhaltsverzeichnis des "Programms für die Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kindergarten" (1985):
* Die Hauptaufgaben der Bildung und Erziehung im Kindergarten (3 Seiten)
* Jüngere Gruppe (70 Seiten)
* Mittlere Gruppe (92 Seiten)
* Ältere Gruppe (97 Seiten)
* Literaturverzeichnis (1 Seite)
* Kinderliteratur (8 Seiten)
* Anhang (Kindergartenordnung)

Ich meine, zu meiner Zeit hieß die "Jüngere Gruppe" noch "diskriminierend" "Kleine Gruppe" und die "Ältere Gruppe" "Große Gruppe" ;-)

Der Inhalt für jede der drei Kindergartengruppen war grundsätzlich wie folgt strukturiert, hier am Beispiel der Jüngeren Gruppe:
* Ziele und Aufgaben der Erziehung der Kinder  (3 Seiten)
* Gestaltung des Lebens im Kindergarten (8 Seiten)
* Spiel (7 Seiten)
* Arbeit (3 Seiten)
* Beschäftigung (2 Seiten)
* Zu den inhaltlichen Aufgaben der Sachgebiete (1 Seite)
* Muttersprache und Kinderliteratur (11 Seiten)
* Bekanntmachung mit dem gesellschaftlichen Leben (7 Seiten)
* Bekanntmachung mit der Natur (8 Seiten)
* Bildnerisch-praktische und konstruktive Tätigkeiten und betrachten von Bildkunstwerken (5 Seiten)
* Musik (5 Seiten)

Für die Jüngeren Gruppe war innerhalb von zwei Wochen vorgesehen:
* Muttersprache und Kinderliteratur 2x
* Bekanntmachung mit dem gesellschaftlichen Leben 1x
* Bekanntmachung mit der Natur 1x
* Sport 2x
* Bildnerisch-praktische und konstruktive Tätigkeiten und betrachten von Bildkunstwerken 3x
* Musik 1x

Dauer der Beschäftigung jeweils "bis 15 Minuten", Sport "20 - 30 Minuten"

Von den ca. 170 Minuten Beschäftigung innerhalb von zwei Wochen waren tatsächlich auch knapp 10 % "Bekanntmachung mit dem gesellschaftlichen Leben" ... was per se nichts schlechtes ist.

Bleiben wir bei der Jüngeren Gruppe. Die Kinder sollten in den "10%" u.a. lernen:
- Name des Heimatortes, ihre Wohnanschrift und die Adresse des Kindergartens
- lernen sich im Ort zu orientieren und wichtige Sehenswürdigkeiten kennen
- die Erzieherinnen weisen darauf hin, daß "dies alles durch fleißige Arbeit ihrer Eltern und anderer Werktätigen möglich wird".
- die Kinder lernen kennen: Werktätige, den ABV, Feuerwehr
- sie wissen, daß sie in der DDR leben und Berlin die Hauptstadt ist, das schließt die Fahne und Erich Honecker mit ein.
- den Kindern ist an Beispielen verständlich gemacht werden, daß in der DDR gut für die Kinder gesorgt wird und das nicht in allen Ländern so üblich ist.
- sie begehen den Republikgeburtstag feierlich
- sollen erste Vorstellungen entwickeln, welche anderen Städte und Dörfer zur DDR gehören.

Zudem lernen sie noch etwas "Von der Arbeit der Werktätigen", so welche Aufgaben die Köchin und der Hausmeister im Kindergarten haben, sollen Bauarbeitern zuschauen und sind anzuregen, Aufgaben im Haushalt der Familie zu übernehmen. Da dies geschützt werden muß, sollen die Kinder "über Bilder und Erzählungen erfahren, daß die Soldaten der nationalen Volksarmee stark, mutig, klug, geschickt und immer einsatzbereit sein müssen, viel Sport treiben und sich im Schießen üben." Es sei "Stolz" zu entwickeln, soweit Familienangehörige in den bewaffneten Organen dienen oder dienten.

"Von der Freundschaft mit der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Ländern" handelt eine halbe Seite, wonach die Kinder "Matrjoschka, Buratino und Mischka als Spielzeug" kennenlernen und erfahren, daß der Kindertag auch in anderen Ländern begangen wird. Dann soll noch kurz "ihr Wunsch" geweckt werden, Kindern zu helfen, die "in Armut und Elend" leben. Dann kommt eine Seite Verkehrserziehung.

Mein FAZIT:
Für jemanden, der nicht sofort beim  Wort "Sozialismus" die Haßkappe überzieht, für den kann das "Programm für die Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kindergarten" wohl noch heute eine Handreichung für Erziehung und Bildung sein ... ich hätte das wohl eher haben sollen ;-)

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