Vorbemerkung:
Wie schon berichtet, hatten wir in Vorbereitung des Buches "43.Fla-Raketenbrigade
'Erich Weinert'-Fakten und Geschichten" eine Vielzahl von
Erlebnisberichten zusammengetragen, die aber letztlich den Rahmen des vorgesehehenen
Umfangs sprengten. Es war daher nicht möglich, alle Beiträge in das Manuskript
aufzunehmen-wir hätten zwei Bücher daraus machen können! Es wäre schade, auf
diese interessanten Erlebnisse und Erfahrungen zu verzichten. Sind sie doch ein
Teil menschlicher Biographien und Beschreibung von Zeitgeschichte. Deshalb
haben wir uns entschlossen, diese unveröffentlichten Beiträge auf die Seite
SANITZ als Thema ERLEBNISBERICHTE-FOLGEN
zu stellen und zusätzlich u.a. in einer DVD "Aus der
Geschichte der 43.FRBr" zu erfassen.
Diese DVD kann über das TRADI SANITZ, Tel. Nr.: 038209-799 bezogen werden. Den Anfang der Erinnerungsberichte machte Dieter Bertuch über seine
Erlebnisse an der Wiege der Fla-Raketentruppen der NVA-in Ulan-Ude am Baikalsee, heute folgt der Beitrag von Jochen Bössenrodt, dessen Laufbahn im FRR-18 Sanitz begann und als Leiter FRID im FRR-13 Parchim endete. Der Erlebnisbericht Folge V ist betitelt:
"Meine Offizierslaufbahn bei den
Fla-Raketentruppen begann in …
Mit
der Ernennung zum Unterleutnant Ende August 1964 begann theoretisch meine
Dienstzeit im damaligen Fla-Raketenregiment 18 (FRR-18), praktisch jedoch erst vier
Monate später. Und das hatte nachfolgenden Grund: nach meiner Ausbildung zum
Obertechniker für Hochfrequenz-Systeme (HF-Systeme) wurde ich in dieses
Regiment nach Sanitz bei Rostock versetzt, das unmittelbar vor der Umrüstung vom
Fla-Raketenkomplex „DWINA“ auf den moderneren Komplex „WOLCHOW“ stand. Deshalb
wurde ich mit noch sieben weiteren jungen Offizieren, davon vier für die
Systeme Selektion beweglicher Ziele ( SBZ) und Hochfrequenz (HF) sowie vier für
das Autonome Startgerät (APP) und Niederfrequenz (NF), zu einer etwas mehr als
3-monatigen Umschulung an der Offiziershochschule für Ingenieure de
Luftverteidigung in Minsk ausgewählt.
Das waren mit mir zum Beispiel Peter
Volkmann, Lutz Koppenhöhle, Günter Metke, Joachim Schulze, Heinz Scherr, Helmut
Diegler und Gottfried Förster, an die ich mich noch erinnere Unsere Gefühle
waren gemischt, hatten wir doch gerade erst unsere 3-jährige Ausbildung
beendet. Statt den Urlaub anzutreten und die Lernphase erst einmal zu
unterbrechen, fanden wir uns am Folgetag in Strausberg zur Verabschiedung ein.
Nach einer Zugfahrt von fast 22 Stunden
trafen wir „Frischlinge“ gemeinsam mit dem ausgewähltem Personal aus den vier
Fla-Raketenabteilungen (Kommandeure, Kompaniechefs, Batteriechefs) aus der
Technischen Abteilung sowie der Regimentsführung und den erforderlichen
Dolmetschern in Minsk ein und wurden auf die Zimmer des Wohnheimes am „9.
Kilometer“ verteilt. Die Eindrücke, die wir in den folgenden Tagen und Wochen
sammelten, sollten sich tief in mein Gedächtnis einprägen und Entscheidungen
für den weiteren Lebensweg beeinflussen. An der Hochschule studierten bereits
Peter Meister sowie vier jüngere Offiziere (z.B. Siegfried Keller, Martin Tesky),
die uns mit ihren gewonnenen Alltagserfahrungen unterstützen konnten. Es war
insgesamt eine schöne Zeit, angefüllt mit intensivem Lernen sowie auch guten
Freizeitangeboten. Da für uns Zivilverbot herrschte, waren wir die ersten
Offiziere nach dem II. Weltkrieg, die in Uniform Stadt und
Freizeiteinrichtungen besuchten. Es war nicht in jedem Fall für uns angenehm,
wussten wir doch, was dieser Krieg gerade Weißrussland und seinen Menschen an
Leid und Zerstörung gebracht hatte. Auch für die Einheimischen war unser
Erscheinen manchmal mit zwiespältigen Gefühlen verbunden.
Der militärische
Alltag hatte uns jedoch voll im Griff. Es wurden systembezogene
Ausbildungsgruppen gebildet und mit Hilfe eines Dolmetschers intensiv gelernt.
In unserer Gruppe waren wir vier Unterleutnante, dazu Major Ranft von der Offiziershochschule
(OHS) sowie Hauptmann Reuther vom Kommando Luftstreitkräfte/Luftverteidigung (
Kdo. LSK/LV) als ausgezeichneter Dolmetscher, ansonsten aber eher ein recht
trockener Mitstreiter. Da wir ja nur in den technischen Fächern ausgebildet und
unterwiesen und die Hochschuleinrichtungen ab 19.00 Uhr geschlossen wurden,
hatten wir täglich pünktlich Feierabend und somit auch ausreichend Freizeit. Wenn
wir einmal über die Stränge zu schlagen drohten, holten uns die älteren
Offiziere wieder schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Jeweils zwei junge
Offiziere saßen zu den drei Mahlzeiten immer mit zwei älteren Studienkameraden
an einem Tisch, so dass auf dieser Ebene viel diskutiert wurde. Da wir noch
keiner Einheit zugeteilt waren, war auch diese personelle Zuordnung zufällig.
Ich saß mit Günter Seidel und Paul Held aus Abtshagen zusammen und ich erinnere
mich noch genau an die vielen Ratschläge und Hilfestellungen, die sie uns
gaben. Wir lebten uns also auf einem etwas anderen Wege als sonst üblich in das
Truppenleben ein, begannen auch langsam zu begreifen, was uns erwartete und wie
sich das Leben und der Dienst gestalten könnte. Natürlich hatten wir auch
ausreichend Gespräche mit den vorgenannten Offiziershörern. Im Laufe der
Ausbildungsmonate machte ich mir ernsthafte Gedanken über eine Ausbildung an
solch einer Offiziershochschule, obwohl erst einmal ganz andere Aufgaben
anstanden. Aber diese Art des Lernens gefiel mir ausgezeichnet, obwohl wir eine
dieser Phasen gerade erst beendet hatten und es uns erst einmal reichte. Zum
Ende dieser Ausbildung setzten sich die anwesenden Abteilungskommandeure
zusammen und verteilten die „Unterleutnante“ unter sich. Ich wurde darüber in
Kenntnis gesetzt, dass mein Dienst Anfang Januar 1965 in der IV. Fla-Raketenabteilung
des Fla-Raketenregiments 18 in Retschow als Obertechniker für das System „
Selektion beweglicher Ziele (SBZ)“ beginnen würde.
Damit begann eine
langwährende Dienstzeit in Begleitung des damaligen Kommandeurs, Major Pedde. Ab
diesem Zeitpunkt suchte ich auch mehr die Nähe des Batteriechefs, Oberleutnant
Birkholz, sowie des Kompaniechefs, Hauptmann Forkert, hatte ich doch keinerlei
Kenntnisse über den Standort Retschow, zu Besonderheiten und über Arbeitsmöglichkeiten für die Ehefrau. Die
ersten Dienstmonate in der Abteilung verliefen dann verhältnismäßig ruhig, ich
hatte also genügend Zeit, mich einzuleben. Nach einem weiteren Praktikum im Fla-Raketenregiment
16 in Bernau, dort war die WOLCHOW schon stationiert, begann der Ernst des
Lebens nach Überführung der neuen Technik. Diese wurde nun neben dem im Einsatz befindlichen Fla-Raketensystem
DWINA entfaltet. Von nun an standen Kontrollen im Mittelpunkt: die Durchführung
der täglichen, wöchentlichen und monatlichen Kontrollen wurde geübt, um den
Komplex schnell beherrschen zu lernen.
Meine Aufgabe bestand aber auch darin, die Obertechniker der Sende-und
Empfangskabine (PW), Kurt Oelschner und dem System Kommando-Sender ( SKS),
Horst Gratias, in die neue Technik bzw. deren Änderung zum vorherigen Komplex
einzuweisen und anzuleiten. Das war besonders für die Sende-und Empfangskabine
(PW) recht umfangreich.
Es herrschte in der gesamten Fla-Raketenabteilung ein
hoher Lerneifer. Die älteren Offiziere, ich erinnere mich noch an Gerhard Leinhos,
Norbert Szyszka, Kurt Müller, Adolf Siehr, Volker Nacinovich, Dieter Butze und Harald
Krause, gingen dabei mit gutem Beispiel voran. Die Technik-Abnahmen verliefen
erfolgreich, ebenso das Gefechtsschiessen. Damit waren die Voraussetzungen zur
Übernahme in das Diensthabende System (DHS) erfüllt. Die nächsten Jahre waren
vom Dienstalltag geprägt, ähnlich dem in den anderen Einheiten der
Luftverteidigung der DDR. Es gab in der Zeit auch personelle Veränderungen in
den Führungsebenen, so übernahm 1966 Werner
Mahlke die Dienststellung Abteilungskommandeur in Retschow und im Regimentsstab in Sanitz wurde Wilfried Schaarschmidt Leiter des
Fla-Raketeningenieurdienstes (FRID). Ich wartete sehnsüchtig auf einen
Studienplatz in der Sowjetunion, wollte ich doch auch einmal Diplomingenieur
werden, ebenfalls in den Ingenieurdienst wechseln und zudem eine Fremdsprache
lernen. Dieser Wunsch sollte sich im Jahre 1970 erfüllen, indem ich nach Kiew
delegiert wurde. Nach einem Jahr Studium folgte dann die Versetzung nach Minsk,
und so war ich wieder an „meiner“ alten Offiziershochschule. Sie gefiel mir
nicht nur besser, weil ich mich hier schon auskannte einschließlich bei vielen
Ausbildern. Diese Hochschule war im Studieninhalt speziell auf die Belange der
Luftverteidigung ausgerichtet und damit für uns ideal. Das Studium konnte ich
1974 mit dem Prädikat „Auszeichnung“
abschließen. Fortsetzung folgt!
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