Mich hat schon immer interessiert, wann und wie die Losung von "Wir sind das Volk" zu "Wir sind ein Volk" kippte.
Bei der Beantwortung half mir meine Lieblingszeitung "Das Parlament" mit seiner Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte" über das Thema "Aufbruch'89". Im darin enthaltenen Artikel von Bernd Lindner "Begriffsgeschichte der Friedlichen Revolution. Eine Spurensuche" erfahren wir dazu, die Losung "Wir sind das Volk" sei »zuerst am 2. Oktober 1989 in Leipzig und nicht am 8. Oktober in Dresden gerufen« worden. Aber er klärt dankenswerterweise auf, wer und wann den Begriffswandel visionär einleitete. Jeder hätte es sich denken können:
»Als die Losung am 11. November 1989 das nächste Mal in der Öffentlichkeit erschien, hatte sie eine gänzlich andere Konnotation: An diesem Tag titelte die "Bild" in unübersehbar großen Lettern: "'Wir sind das Volk' rufen sie heute - 'Wir sind ein Volk' rufen sie morgen!"«.
Wie es weiter ging, erfuhr ich über "Schattenblick.de" von Peter Radunski, damals Chef der Öffentlichkeitsarbeit für die West-CDU, via Deutschlandradio: »"Wir haben festgestellt, das war auch stark diskutiert worden im Bundesvorstand und Präsidium, dass eigentlich die Selbstbestimmung nicht das sein kann, womit das Volk zufrieden gestellt werden kann. (...) Hinter den Kulissen stemmt die Bundes-CDU in der Woche vom 11. bis 17. November einen Aktionsplan. Es gilt, die Meinungsführerschaft zu übernehmen: Radunski: Eine Sitzung war am 16. abends im Adenauerhaus, eine so genannte Kommunikationsrunde. Und bei dieser Kommunikationsrunde, das kann ich aus meinen Notizen deutlich sehen, ist gesagt worden: Kinder wir machen ein Plakat "Wir sind ein Volk". Das heißt, in Weiterentwicklung des Slogans, der in der damaligen DDR skandiert wurde: "Wir sind das Volk". (...) Und dabei sind sicher auch Junge-Unions-Leute nach den einzelnen Teilen der DDR gekommen und haben sicher da auch die Wandzeitung oder das Plakat "Wir sind ein Volk" hochgehalten. Aus einem schriftlichen Vermerk der CDU-Bundesgeschäftsstelle geht hervor: Versand an die Kreisverbünde/Plakate "Wir sind ein Volk" - Erste Auflage 12.800 Stück. Aufkleber "Wir sind ein Volk" - Erste Auflage: 100.000 Exemplare. Zweite Auflage: 300.000 Exemplare.«
Also wurde demnach der Slogan "Wir sind ein Volk" am 11. November 1989 von BILD vorgedacht und ab 17. November 1989 durch die West-CDU popularisiert ... der 10-Punkte-Plan von Kohl wurde am 28. November 1989 veröffentlicht. Öffentlich wahrgenommen wurde die Lösung von mir erst zum Kohl-Auftritt am 19. Dezember 1989 in Dresden. Hier könnte die etwa ein Monat lang vorbereitete Losung "Wir sind ein Volk" endgültig die Massen ergriffen haben und wurde somit zur materiellen Gewalt.
Folge:
»Ende September ging im Leipziger Herbst ein angestimmtes Deutschlandlied noch in Pfiffen unter, wenige Wochen später war es aber zum allgemeinen Kanon geworden« Marcus Hawel auf sopos, Hervorhebung von mir.
Folge:
»Ende September ging im Leipziger Herbst ein angestimmtes Deutschlandlied noch in Pfiffen unter, wenige Wochen später war es aber zum allgemeinen Kanon geworden« Marcus Hawel auf sopos, Hervorhebung von mir.