Vorbemerkung :
Pinnow als Ausgangsort für viele Ehemalige. Ein geschichtsträchtiger Ort, " Wurzelkloben " im slawischen, 1354 die erste urkundliche Erwähnung, Klostergut, 1938 Aufbau der MUNA ( Munitionslager ), nach 1945 bis 1947 ein Ort mit einem Durchgangs - Flüchtlingslager mit ca. 22. 000 Flüchtlingen und heimkehrenden Soldaten in diesem Zeitraum. 1956 Übernahme des ehemaligen MUNA - Geländes durch die NVA, Formierung des Lehr - und Ausbildungsregiments 12, unter strengsten Geheimhaltungsbestimmungen erstmalige Durchführung der Ausbildung an sowjetischen Fla - Raketenkomplexen in derDDR, 1964 dann das Reparaturwerk für Spezialbewaffnung ( RWS ), das spätere Instandsetzungswerk Pinnow ( IWP ).
Ein Wort zu eingegangenen Kommentaren unserer Folgen : mit Interesse haben wir sie gelesen und möchten die Absender bitten, ihre eigenen Erlebnisse und Erfahrungen des Dienstes in der 43. FRBr als Beitrag aufzuschreiben und uns zuzusenden. So wie Detlef Merten alias Resi Otto, der 1981 / 82 in der FRA 4322 in Barth und dann 4 Jahre später auf dem GS in Rövershagen gedient hat. Seine Erlebnisse, seine Sicht als Soldat wird in einer Folge zum Zeitraum der 80 - er in der Chronologie erscheinen. Wir wollen ja mit den Folgen " Aus der Geschichte der 43. FRBr " unser Projekt Ausstellung in der Heimatstube Sanitz im Jahre 2012 begleiten. Also, wenn es Eure Zeit ermöglicht, schreibt uns bitte an die folgende e - mail - Adresse : bernd@kirchhainer.de . Vielen Dank !
Erinnerungen von Hannes Urbaniak, zuletzt Dienstgrad OSL und im FRID der 43. FRBr bis November 1983 in Sanitz. Von 1961 bis 1966 in Pinnow und Abtshagen, im LAR-12 und im FRR-18. Angefangen als Obertechniker HF- Kabine, dann Zugführer Apparate - und HF-Kabine ( AW und PW ). Ab 1966 folgte eine Ing. - Ausbildung. 1971 kehrte er zurück in sein " altes " Regiment, in das Fla - Raketenregiment 18 bzw. der 43. FRBr nach Sanitz . Hier der Teil I seiner Einnerungen, den Zeitraum in Pinnow betreffend :
" ... Zu Beginn des Ausbildungsjahres 1961 ( damals begann die Ausbildung am 1. Januar ) in der Flak- Artillerieschule Potsdam- Geltow führte man ein neues Fach für uns 3-jährige ein. Regeltechnik- mechanisch, wie sie schon in den 40-er Jahren angewendet wurden. Aber... bei uns geheim. Bald darauf wurden Aussprachen geführt . Es ging um eine neue Verwendung.Was, wann, wie, wo hatuns keiner gesagt, Fragen diesbezüglich wurden nicht beantwortet. Aber man mußte eine Schweigeerklärung unterschreiben. Lustig im nachhinein, Schweigen über Unbekanntes. Bald darauf plötzlich Abschlußprüfung als braver Flakoffizier 57-mm, obwohl die Ernennung zum Offizier erst im Herbst anstand. Ja, ja hieß es - jetzt Prüfung, Ernennung dann im Herbst. Die Lehroffiziere ließen nichts aus. Von" Marx - Lenin " über Flaktechnik bis zum Richtkreis, alles war drin. Wir waren die letzten Flakartilleristen in Geltow, dann wurde die Kaserne zumKommando Landstreitkräfte. Geltow war eine moderne Garnison mit guter Unterbringung, Sportplatz, Schwimmbad, Club mit vielen Möglichkeiten , Casino. Erbaut von der Wehrmachtsluftwaffe, dann Sowjetarmee, Flak, Kdo Lask und wieder einen neuen Nutzer. Reißt nicht ab ...
Dann urplötzlich im zeitigen Frühjar von einen Tag auf den anderen, Sachen packen, aufsitzen Plane zu und ab. Durch die Plane gekiebitzt, Berliner Ring nach Norden. Wir landeten in Pinnow , einem kleinen Dorf zwischen Angermünde und Schwedt. Eine Kaserne mit massiven Baracken im lichten Mischwald, im Lehr -und Ausbildungsregiment 12. Kommandeur war Major Trautsch, ein kleiner agiler Mann mit wenig Haaren und einer " tiefen " Stimme.Später wurde er Generalmajor und Stellv. Fla – Raketen im Kommando Luftstreitkräfte/Luftverteidigung. Allseits geachtet und beliebt. Ein Fachmann.
Die Ausbildung begann mit der Aufteilung in Gruppen.Wer, wie, was - keine Ahnung. Dann das wichtigste, ein kleiner grüner Sonderausweis, der noch geheimer war als die neue Fla-Technik. Wer den verlor … Übrigens war alles so geheim. Sogar der letzte Widerstand in einem Stromversorgungsblock ( Übernahme von " Wasserfall " der Luftwaffe aus den 40-Jahren !). Aber es war wohl der Zeit und den Umständen der 60-Jahre geschuldet. Wir 20 - jährigen machten uns keinen großen Kopf. Wieso auch, da keiner wußte, um was es geht. Zur Ausbildung standen das gesamte FRR-18 und Teile des FRR-17. In den Unterrichtsräumen saß der gesamte spätere Personalbestand. Vom Regimentskommandeur bis zum letzten Kanonier. Natürlich nach Verwendung in Gruppen unterteilt. Ab Batteriechef kamen alle Offiziere vonder Flak oder Erdartillerie. Für die Technik sind längerdienende Unteroffiziere und Wachtmeister dazu gekommen. So nannte man damals die Feldwebel bei der Rohrartillerie. Wurde später abgeschafft wie so einiges, was die Waffengattung ausmacht. Wieso eigentlich ?
Vervollständigt wurde das Personal durch junge Offiziere von den Funktechnischen Truppen. Die waren uns natürlich meilenweit voraus, hatten sie doch die auf uns zukommenden meterlangen Schaltbilder schon intus. In der sowjetischen Technik wurde Vereinheitlichung angewendet, z.B. ein Empfänger war für fast alle Stationen grundgleich. So waren für sie die Grundlagen der Fla - Elektronik leichter. Sie haben uns aber gut unterstützt, besonders nachher, als wir die Technik übernommen hatten und selbst zurechtkommen mußten. Das halbe Jahr in Pinnow war aber für einige der Lenz. Hätte ich aber auch so gemacht. Pinnow und Geltow ,wie Tag und Nacht. Baracken mit Schlafsälen, das Unterrichtsgebäude mit Draht um den Fenstern, die U - Räume wie Stuben. Ein düsterer Speisesaal mit kleiner Klappe.Wo warst du dahin, Geltow, mit einer drallen Blondine als Bedienung in der Kantine ? Aber ein gemütliches Casino hatten sie. Manches Bierchen ist geflossen. Pinnow war eben nicht Potsdam.
Die technische Ausbildungsbasis befand sich in den Wällen des ehemaligen Schießstandes, abgeschirmt durch Draht und den grünen Ausweis. Ausgebildet wurde Funktechnische ( damals noch ) Batterie, Startbatterie ( haben sie so gelassen) und Sicherstellung mit Fla-Raketen, also TA. Wir wurden als Obertechniker ausgebildet, vom russischen übersetzt " Starschij Technik ". Wurde nachher in Offz. für ... ersetzt, hatte sich aber noch bis in die 80-Jahre gehalten. Zur Ausbildung wurden wir in Unterrichtsgruppen nach der späteren Verwendung aufgeteilt. Nach Systemen der FuTK, der Startbatterie und Technische Abteilung. Alle angehenden Obertechniker saßen mit ihren Soldaten und Unteroffizieren in einen U-Raum. Sold. / Uffz. vor den Blockschaltbildern, die Techniker vor den Prinzipschaltbildern. Warum, wer in welches System kam ? Unbekannt. Er kam eben und fertig. Ich bin zur HF ( Hochfrequenz ) gekommen, zur Kabine PA. Der Ausbildungskomplex war ein DWINA-SA75, damals noch als Kofferversion auf einem LKW Typ SIL. Jeder war nur auf sein System ausgerichtet – das war die Methode. Wolltest du einen Blick in einen anderen Koffer werfen, denkste, sofort Tür zu. Das gleiche im U – Gebäude. Die " Stuben " lagen nebeneinander auf gleicher Etage. Tür zu und Pumpe. Alles so geheim !? Dieses " Jeder darf nur sein System kennen " erwies sich nach Übernahme und Nutzung der Technik natürlich als Problem und Nachteil. Ein Fla - Raketenkomplex ist nun mal ein Komplex mit Zusammenwirken vieler Komponenten. Das zu erfassen, hat uns später viel Lehrgeld gekostet. Der Ausbilder auf der Kabine PA war Oltn. Altenkirch. Wie alle Ausbilder, neu im“ Geschäft “. Alle im Unterrichtsraum haben sich redlich bemüht und dann eine Erklärung für die technischen Vorgänge gefunden. Der eine so, der andere so ...
Noch eine andere Sache : es gab ja keine deutsche Literatur über und zur Technik. Alles in Russisch und nach nach dem Motto " … Jeder hat zumindest 5 Jahre in der Schule Russisch gelernt ". Da hörte es dann aber bereits schon bei " Ustanowka " auf. Ein technisches Allerweltswort. Übrigens, die deutschsprachige Literatur hat man zumindest bis zu meinem Ausscheiden 1983 nichtin den Griff bekommen. Auch wenn die Truppenoffiziere tüchtige Zuarbeit geleistet haben. In Pinnow haben wir dicke Hefte, diktiert von den Ausbildern, vollgeschrieben. Das war Material aus ihrem Lehrgang in Ulan – Ude in der Sowjetunion. Die Ausbildung an der Technik wurde im Schichtsystem durchgeführt, da eine ganze Klasse keinen Platz in den engen Koffern hatte.Letztendlich haben das Ziel alle geschafft - ein Lob an unsere Ausbilder, die sich bemüht haben und ihren Schülern manchmal sicherlich nur zwei Lektionen voraus waren. Noch ein Wort zu Pinnow. Ein kleines Dorf mit Nachbargemeinde war das Ausgangsgebiet. Für Sold. / Uffz. Bedeutete es “ Tote Hose “ - nichts los. Nur hin und wieder Tanz, es ging aber kaum jemand hin. Es galt der alte Spruch der Dorfjugend : in unserem Stall treten wir die Hühner selber …
Für die Mannschaften gab es eine Kantine mit Stehtischen. Mitten im Raum war ein Verschlag mit Maschendraht. Da stand dann ein “ Kalfaktor “ und verkaufte Bier und Bockwurst. Damals gab es noch Bier in der Kaserne, man mußte also nicht extra Ausgang nehmen, um sein Bierchen zu trinken. Die Frage war auch – zu welcher Gaststätte, wenn es denn eine gab. Kino war im Speisesaal – nicht gerade sehr gemütlich. Wir Offz. - Schüler hatten es da ein wenig besser. Ein kleines gemütliches Casino hat uns so manche Mark abgenommen. Oder wir sind nach Angermünde in den legendären " BH " gefahren – den “ Berliner Hof “ . Ein Tanzlokal, wie sie damals allerortens bestanden. Die Älteren werden sich erinnern. Da ging es manchmal hoch her und einige Schöne haben dann dort auch ihren Gatterich eingefangen. Im Herbst 1961 war die Ausbildung beendet, nun stand die Ernennung zum Unterleutnant an. Damals war es der erste Offiziersdienstgrad. Prüfung war ja schon. Aber … Es mußte natürlich eine Prüfung zum Abschluß und Bestehenüber des Lehrgangs geben, keine Frage. Nun kam folgendes dazu : die Wachtmeister jedoch wurden auch ernannt und nach dem allgemein geltenden Gleichheitsprinzip hieß es dann - alle nochmal die Offiziersprüfung ablegen ! So haben wir Offz. - Schüler gleich zweimal den " Unterleutnant " gemacht. Nach Adam Riese – ein Stern undnoch ein Stern gleich zwei " Stern ". Wäre eigentlich Leutnant … Aber, denkste, war NVA. Wenn ich mich richtig erinnere, fand so eine Art Vorernennung auf dem Sportplatz vor der Kaserne statt. Es war kalt und regnerisch . Die feierliche Ernennung war dann aber in Geltow.Wir haben zur Feier des Tages einen abgebissen nach dem Motto - “ Es säuft der Mensch, es säuft der Bär, am meisten säuft die Luftabwehr “...
Wir waren damals alle junge Männer Anfang 20. Zum Schluß haben sie noch dem Schulkommandeur die Mütze geklaut und sowas von verbeult hängen lassen, die der Ärmste dann tatsächlich auch noch aufgesetzt hat. Aber, unvollstellbar : ein Oberstleutnant ohne Mütze ...
Nach Abschluß der Ausbildung wurde das Personal für die Abteilungen zusammengestellt. Ich sollte in die 1. Fla-Raketenabteilung des FRR - 18 nach Abtshagen. Noch waren wir aber in Pinnow,Herbst 1961.
Der Fla-Raketenkomplex sollte übernommen werden. Wann? Also lungerten wir in Pinnow herum. Dann Aufbruch nach Stallberg, zum Fla – Raketenregiment 17, also dem FRR - 17. Weil die Feuerstellung in Abtshagen noch nicht fertig war, fand die Übernahme in Stallberg statt. Der DWINA-Komplex in Kabinenvariante. Aber die sowjetischen Instrukteure haben uns alles geduldig erklärt. Haben sie eigentlich immer gemacht bei neuer Technik oder Modernisierung. Einsatzbereit, gut - Übernahme. Eine Episode : nach Abschluß der Übernahme brachte ein Instrukteur einen 20 Liter Kanister in die Stromverteilerkabine RMA. Die Halterungen waren an der Wand angebracht und unser guter Uffz. hat immer gefragt, was da denn noch fehle. Die Antwort von sowjetischer Seite : " Budjet..Budjet ". Wird schon noch. Nun gut, Kanister befestigt und " Do swidanija ". Unser Unteroffizier war natürlich neugierig, den Kanister abgenommen – er war leer. Als er ihn aufgemacht hatte, war anschließend eine gute Wolke Alkohohl in der Luft. Nachher erfuhren wir, das dieser Primasprit zum Reinigen der HF - Verbindungen vorgesehen war. Der Winter in Stallberg war kalt und was hilft dann den Freunden aus der Sowjetunion, richtig … Ich habe nachher noch einige Komplexe übernommen, aber einen derartigen Kanister gab es nicht mehr. Eigentlich schade !
Anfang 1962 haben wir dann nach Hinrichshagen verlegt, weil Abtshagen immer noch nicht fertig war. Wir standen mit dem Eisenbahntransport, dem noch viele folgen sollten, auf dem Pasewalker Bahnhof. Die Startrampen waren mit Planen bedeckt. Zwischen den Gleisen liefen Eisenbahner umher. Da hörte ich wie einer sagte: " Du, jetzt haben sie sogar schon Kanonen mit viereckigen Rohren ..." - Fortsetzung folgt.