Die
Arbeit im Verpflegungsdienst.
von G.T., Küchenleiter zwischen 10/1982 und 12/1990 in der FRA-234 (Weggun)
von G.T., Küchenleiter zwischen 10/1982 und 12/1990 in der FRA-234 (Weggun)
Die Arbeit im Verpflegungsdienst war für mich als gelernten Koch immer eine Herausforderung! Sofort nach der (vorzeitigen) Beendigung der Lehre ging ich im Mai 1982 an die Unteroffiziersschule nach Bad Düben, nach der Ernennung zum Unteroffizier im Oktober ging es dann in die FRA-234 nach Weggun. Eigentlich war mir versprochen worden, dass ich meinen Dienst in meiner Heimatstadt Neubrandenburg (Trollenhagen) versehen kann, aber wie das so war mit diesen Versprechungen … ich konnte wählen zwischen der Leitung des Verpflegungslagers im FRR-23 in Stallberg oder aber eben zwischen der Leitung der Küche der Abteilung.
Die fachliche Vorbereitung während der Uffz.-Ausbildung war gelinde gesagt für die Katz – alles war völlig neu, ein Wurf ins kalte Wasser, ich bin nicht einmal selbst gesprungen. Mein Vorgänger war noch drei Tage anwesend, hat mir aber nichts erklärt oder mich eingewiesen. So stand ich da mit 18 Jahren, älteren Unterstellten und einer Truppe, die dreimal täglich möglichst lecker versorgt werden wollte. Mein damaliger „Küchen-Unteroffizier“ (UaZ, Wilfried Schwarz aus Erfurt) nahm mich also an die Hand und zeigte mir die administrativen Schritte. So konnte ich mich langsam aber sicher an die Aufgaben wagen, das kochen war ja nicht das Problem. Berufssoldaten bekamen übrigens ihr Essen aus dem gleichen Topf, gegen Barzahlung natürlich.
Tja, die Verpflegungsnormen … so ganz bekomme ich die Bezeichnungen nicht mehr zusammen, „meine“ Truppe bekam ja die Grundnorm 110 welche einen finanziellen Betrag von 4,50 Mark beinhaltete. Diesen Betrag pro Mann und Tag einzuhalten war nicht unbedingt die größte Herausforderung, vielmehr war in den Normen genau vorgegeben, wieviel (in Gramm) von bestimmten Lebensmitteln/Rohstoffen jedem Soldaten zustand. Diese Menge wurde dann in Kontingenten, zustehenden Mengen, zusammengefasst. Ich weiß noch, dass es 220 g Fleisch- und Wurstwaren/Tag waren, 50 g Butter usw.
Nun ließ sich ja anhand der täglichen Stärkemeldung, also der Essensteilnehmer, genau berechnen wieviel jede Küche verbrauchen durfte. Ich rechnete immer 30 g früh und 70 g Wurst abends, der „Rest“ von 120 g ging für die Hauptmahlzeit drauf. Oft war das natürlich eine Milchmädchenrechnung, weil nicht machbar. Einen Braten mit 120 g Rohgewicht kann ich zwar kalkulieren, in der Realität sieht der nach der Zubereitung und dem Abzug von z. B. Garverlusten und Verschnitt dann sehr bescheiden aus, was die Größe der Portionen betrifft. Ich konnte dann natürlich etwas variieren indem es ja auch die „Eier- und Fischtage“ gab, aber das war immer eine Gratwanderung.
Nach einiger Zeit habe ich dann mit meinen Leuten eine Idee entwickelt, die heute normal klingen mag, damals aber ein Verlassen eingefahrener Gleise und Vorschriften bedeutete. Zum Frühstück und Abendessen war es eine in unseren Augen schlimme Sitte, mit Wurst und Butterportionen sogenannte „Päckchen“ zu packen und diese dann bei der Essenausgabe den Wehrpflichtigen ohne jede Esskultur auf den hingehaltenen Teller zu legen, im Vorbeimarsch sozusagen. Ich habe dann beschlossen, diese Bestandteile in Form eines kalten Buffets anzubieten, wobei sich jeder Soldat seine Menge von den Platten nehmen konnte. In den Restetonnen sahen wir immer auch Mengen von Wurst und Butter enden, also ging ich einfach davon aus, dass wenn jeder nimmt was er zu essen beabsichtigt, die angebotene Menge reichen würde – ein Soldat nimmt zwei Scheiben mehr, der andere eben weniger, es gleicht sich aus. Mit den Truppen habe ich vorher geredet, die fanden die Idee gut und haben das unterstützt, zumal ich die Vorteile klargemacht habe. So konnte ich dann bei Bedarf weniger aus dem Lager entnehmen als den Soldaten insgesamt für einen Tag zustand und dennoch war jeder zufrieden. Beim zubereiten eines Bratens oder Schnitzels konnte ich dann eine größere Menge planen.
Allerdings habe ich diese Rechnung ohne den Wirt, sprich ohne meine Vorgesetzten gemacht. Diese fanden es unerhört, dass ich mich ohne Rücksprache über bestehende Zustände und Normen hinwegsetzte und hätten es am liebsten rückgängig gemacht. Aber die Verpflegungsteilnehmer äußerten sich positiv und so kam es wie es kommen musste: bei einer Kontrolle durch den vorgesetzten Regimentsstab fiel diese neue Form der Essenausgabe auf und meine Chefs rühmten das stolz als ihre Idee, als sie merkten, dass die Genossen aus dem Regiment dem aufgeschlossen gegenüberstanden …
Es war ebenso üblich, dass die Soldaten ihre eigenen Plastikteller („Dreierplatten“) und ihr eigenes Besteck zu den Mahlzeiten mitbrachten, es anschließend spülten und mitnahmen. Viele nutzten dabei noch das von der BA-Kammer bei der Einberufung ausgegebene Aluminiumbesteck, was ich schrecklich fand! Davon konnte kein Essen schmecken. Da ich im Lager endlose Bestände von Stahlbestecken und Porzellangeschirr hatte habe ich dann eines Tages dieses an die Mannschaft ausgegeben. Auch wurde meine Küchenhilfe angewiesen, dieses in der Küche zu spülen, sodass die Truppen es nicht umhertragen mussten. Meine Küchenhilfe war natürlich von dieser zusätzlichen Aufgabe hellauf begeistert – aber da musste sie durch!
Verpflegungszulagen gab es nur für die Besatzung des Gefechtsstandes, die eine kleine Extraküche dort betrieben in der ersten Zeit. Später wurde dieser Personalbestand verringert und die Mahlzeiten wurden mittags angeliefert, ebenso für die Außenwache. Wie diese Zulage aussah kann ich allerdings nicht mehr sagen.
Verpflegungszulagen gab es nur für die Besatzung des Gefechtsstandes, die eine kleine Extraküche dort betrieben in der ersten Zeit. Später wurde dieser Personalbestand verringert und die Mahlzeiten wurden mittags angeliefert, ebenso für die Außenwache. Wie diese Zulage aussah kann ich allerdings nicht mehr sagen.
Bei uns wurde ca. 1986/87 mit dem Bau einer neuen Gefechtsstellung begonnen, Wald wurde gerodet, ein künstlicher Hügel für die Technik zur Luftraumüberwachung aufgeschüttet. Dafür wurde Erde nachts mit Kolonnen von LKW herangefahren. Die dabei eingesetzten Soldaten, u.a. Bausoldaten („Spatis“) bekamen die Zulage 210 (wenn ich nicht irre). Diese Zulage wurde in Form eines 2. Frühstücks ausgegeben und durfte u.a. 50 g Fleisch- und Wurstwaren beinhalten. Was aber gibt man einem hart arbeitenden Mann zum 2. Frühstück? Die Jungs favorisierten Bockwurst, Bratwurst, ein Schnitzel mit Brot/Brötchen und derlei mehr (habe den Begriff „Bockwurstgeschwader“ gerade gelesen). Alle diese Dinge haben mal eben 100 g … zum Ausgleich gab es dann auf der Baustelle auch mal Rühreier, in der Küche zubereitet, in Thermophoren transportiert und entsprechend unansehnlich und unappetitlich. Im Winter wurde auch gern mal eine heiße Soljanka gelöffelt.
Also habe ich irgendwann das Kontingent ein solches sein lassen und auf die Zahlen gehustet, die Jungs wollten etwas zwischen den Zähnen haben. Bei den jährlichen Küchenleiterschulungen war dann der Stabsfeldwebel T. immer einer derjenigen, die sich für den Mehrverbrauch vor unserem Oberoffizier aus der Division rechtfertigen mussten. Mein Standardspruch war immer der mit den Zähnen und ich bin damit auch immer durchgekommen, wurde nie ernsthaft zur Rechenschaft gezogen, nur ermahnt darauf zu achten … und das tat ich ja, ich wusste immer genau, dass ich die Zahlen überschreite.
Die allgemeine Versorgungslage war manchmal natürlich demoralisierend. Ich bestelle Fleisch um Schnitzel zu schneiden, bekomme stattdessen aber Schweineschulter mit Knochen und Schwarte. Also musste der Speiseplan geändert werden, hin zu Hackbraten oder Gulasch. Jede Änderung mussten RD-Chef und Kommandeur genehmigen, was ich hasste, weil ich mich rechtfertigen musste.
In unserem Sperrgebiet hatte Generaloberst Wolfgang Reinhold sein Jagdrevier, am See stand neben einem alten Forsthaus sein Bungalow, ganz bescheiden, nichts worauf jemand wirklich neidisch hätte sein können. Wenn er mit Frau und auch mal Enkelkind anrückte, dann durfte ich auch für ihn kochen. Von meinem Stabschef und Kommandeur wurde ich vergattert, dass mein Wortschatz sich auf „Jawohl/Nein, Genosse Generaloberst!“ bzw. auf eine Frage nach seinen Wünschen zu beschränken habe. Ist echt wahr! Als der GO auf den Hof fuhr winkte er bei meiner Ehrenbezeigung ab und gab mir die Hand, übte etwas Smalltalk und bat mich zum Essen mit an seinen Tisch, er war ein angenehmer Zeitgenosse!
Diese Besuche hatten den Vorteil für meine Arbeit, dass Sonderwünsche bei Bestellungen insbesondere von Fleisch und Wurst, Schinken und dgl. Mit einem roten „GO“ gekennzeichnet werden konnten, dann bekam ich die bestellten Produkte auf jeden Fall. Diese Abmachung hatte unser Politstellvertreter mit den Verantwortlichen des Fleischkombinates getroffen – und ich nutzte es zukünftig reichlich aus, ohne natürlich zu übertreiben. Der Generaloberst wusste gar nicht wie oft er so zur Jagd kam …
Zusammengenommen kann ich sagen, dass es mir immer am Herzen lag die Truppe bestmöglich zu verpflegen. Die Jungs konnten nirgendwo anders essen, waren auf uns angewiesen. Meistens ist mir dies mit meinen „Küchenschaben“ gelungen, wobei wir auch versucht haben neue Wege zu gehen ohne großartig zu fragen, weil ich schnell gelernt hatte, dass wer viel fragt auch schnell eine abschlägige Antwort bekommt. Also haben wir manche Dinge einfach getan und die Chefs vor vollendete Tatsachen gestellt!
Viel zu Normen usw. kann ich nun nicht beitragen, mehr so einen „Tatsachenbericht“ zur Versorgung einer kleinen FRA. Aber auch nach vielen Jahren muss ich sagen, dass es auch immer Spaß gemacht hat! Ich habe den Beruf vorangestellt und nicht die Ideologie, war nie in der SED (was aber auch andere Gründe hatte) und habe dennoch nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Ende 1990 bin ich dann ins zivile Leben eingetaucht, habe viele Jahre in Mecklenburg in der Gastronomie gearbeitet, ebenso meine Frau welche in Weggun als Zivilbeschäftigte die Bibliothek führte, Kinovorführungen machte und dgl.
Genau so war es , ich war auch in Weggun von 1982 bis 1985.
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