Vorbemerkung:
Am Sonnabend, den 21.11.2015, war es soweit: eine
Reisegruppe Ehemaliger der NVA & vom Luftfahrtmuseum Finowfurt sowie ein
Redakteur/Kamera-Team des NDR-MV trafen sich um 08.30 Uhr am Fährcenter
Rostock-Überseehafen. Zu einer Reise in das KOLDKRIGS-Museum Stevnsfort auf
Seeland/Dänemark.
Ursache und Hintergrund der ganzen Sache war unsere Kritik an
einem Beitrag ZEITREISE im NORDMAGAZIN des NDR-MV vom Februar 2014. Vielleicht
könnt Ihr Euch noch daran erinnern. Thema „Kalter Krieg auf der Ostsee“-z.T. sachliche
Fehler und fehlender historischer Kontext im Beitrag incl. in den Kommentaren.
Bei einem Treffen mit dem NDR, u.a. mit dem Autor des Beitrages, gab es darüber
eine offene und vertrauensvolle Diskussion, in der die Fehler zugegeben wurden, zugleich mit der Bitte um Mitarbeit/Unterstützung bei weiteren ähnlichen Themen zur
Geschichte/NVA/Kalter Krieg. Wir haben zugesagt, entsprechend
unseren Möglichkeiten. Dabei waren damals auf „unserer“ Seite der Runde Joachim Kampe aus
Strausberg und Roland Woiciechowski aus Demen. Eine Einladung nach Dänemark vom
Leiter des KOLDKRIGS-Museums, Thomas Tram Pedersen, erhielten wir kurz danach.
Nach etlichen Terminverschiebungen wurde der 21.-22.11.2015 als endgültiger Besuchszeitraum
vereinbart. Im Vorfeld hatten wir versucht, auch ehemalige Piloten des JG-9
Peenemünde für das Projekt zu gewinnen, da es im DHS-Einsatz ja auch zu
„Luft-Begegnungen“ mit dänischen Jagdflugzeugen gekommen ist. Hatte nicht
geklappt. Trotzdem vielen Dank an P. Profe, M. Kanetzki und Dr. W. Thonke für ihre
Bemühungen. Nach einigem Zeit-und Kraftaufwand trat eine sachkundige und
kompetente „Truppe“ die Reise an:
Bernd
Krautheim (AGS 43.FRBr Rövershagen, dann Ltr. GS FRR-13 Parchim), Dr.
Klaus-Peter Kobbe (Ltr. Luftfahrtmuseum Finowfurt), Jörg Engel (engagiert
sich beim Luftfahrtmuseum Finowfurt), Hartmut Hädicke (K-FRA 4333Kägsdorf, dann
in der 51.FRBr Sprötau), Heinz-Dieter Wittwer (Grenzbrigade Küste,
Funkmessaufklärung), dazu kam Barbara Kirchhainer (Ltr. TRADI SANITZ)
Eine interessante Reise mit vielen Erlebnissen &
Erkenntnissen, das Projekt ZEITREISE vom NDR M-V und auch eine Gesprächsrunde
mit Ehemaligen der dänischen Luftverteidigung incl. dem Chef der LV-DK, Oberst
a.D. H. Nielsen, standen uns bevor…
In Gedser holte uns Thomas Tram Pedersen ab, dann
ging es weiter Richtung zum südöstlichen Teil von Seeland zum KOLDKRIGS-Museum
Stevnsfort bei Rödvig/Heddinge. Stevens Klint und Stevns ist an der Küste und durch
die Natur mit steilen Klippen und Kalkstein geprägt. Allerdings auch durch den
Kalten Krieg mit einer Vielzahl von militärischen Einrichtungen, die weiträumig
für die Bevölkerung abgesperrt waren. Sechs Standorte, ca. 1.000 Soldaten. Die
meisten Anlagen sind inzwischen außer „Betrieb“, so wie das Stevnsfort, das als
letzte Küstenbefestigungsanlage von der dänischen Armee im Jahre 2000
stillgelegt wurde. Es besteht aus einem Außengelände mit zwei Zwillingstürmen
15 cm- Geschützen der deutschen GNEISENAU aus dem II. WK, Reichweite ca. 23 km,
als Sekundärbewaffnung, vor allem aber aus mehreren ehemaligen HAWK-Batterien.
Reste davon können besichtigt werden.
Von 1952 bis 1954 erfolgte der bergmännische
Bau der großen unterirdischen Bunkeranlagen incl. der Unterkünfte für die 300
Mann starke Besatzung, alles in einer Tiefe von 18-20 m im Kalkstein. Beton kam
dabei eher selten zum Einsatz. Der Hauptgang allein ist ca. 1,6 km lang, dazu
unzählige Nebenstollen und Räume. Eine feuchtkühle Temperatur von nur 10°C
erfordert Durchhaltevermögen. Die Betten der Soldaten dazu ungeschützt im
Hohlgang angebracht- nicht gerade was zum „Träumen“. Die günstige strategische
Lage diente der Schiffs-und Luftraumüberwachung nicht nur der Öresund-Passage,
sondern ging bis hoch nach Bornholm und war zusammen mit weiteren
Fla-Raketenstellungen von NIKE und HAWK-Systemen in die Luftverteidigung von
Kopenhagen miteingebunden. In einer 24 h-Schicht. Einblick in die Schiffsmelde-/Luftraumüberwachungszentrale
incl. einer Fernmeldezentrale konnten wir nehmen, u.a. waren auch verschiedene Dokumente,
Signalübersichten, Karten mit Stellungen/Standorten der NATO-Streitkräfte,
vermeintliche Bedrohungsaktivitäten des Gegners im Ernstfall, polnische und
russische Originale mit Zeichenerklärungen/Abkürzungen zu entsprechenden Seekarten, eine Übersicht über Schiffe/Flotten des Warschauer
Vertrages usw. zu sehen, aber nicht nur - auch Kaffeetassen, Aschenbecher und
sogar FAXE-Bierflaschen an den Radar-Arbeitsplätzen. Mal eine Flasche Bier am
Arbeitsplatz-sicherlich auch Wunsch & Traum eines Funkorters auf einem Gefechtsstand einer
Fla-Raketeneinheit der NVA-Luftverteidigung…
Gab es bereits während des Rundgangs untereinander
Gespräche, so wurde das dann am Abend bei einem Treffen intensiviert. Von
dänischer Seite nahmen neben T.T. Pedersen u.a. auch der Chef der dänischen
Luftverteidigung, Oberst a.D. H. Nielsen, sowie seine Frau daran teil. Vom
Dienstgrad Major und als Radar-Operator in einer ebenfalls verantwortungsvollen
und Führungsposition tätig. Eine offener, sachlicher und sachkundiger
Gedankenaustausch, mit Darstellungen und Berichten zu eigenem Erlebten im
Dienst und über den Kalten Krieg in der Luft. Wir erfuhren auch, wie von Seiten
des Warschauer Vertrages die Aufklärung der anderen, ebenfalls „gegnerischen“
Seite erfolgte. Von Kampfschwimmern der VM, die an einem der beiden Notausgänge
von Stevnsfort eine Nachricht über ihre Anwesenheit hinterließen. Eine für alle
Beteiligten interessante Runde…
Dabei stellten wir auch fest, dass die Dänen einen
z.T. anderen Blick bzw. eine andere Sichtweise hatten/haben als wir es gewohnt
waren. Man geht damit zwar sehr objektiv, aber eben auch „unverkrampfter“ um. Auch
wenn der Kalte Krieg natürlich auch das NATO-Land Dänemark und die Gesellschaft
geprägt haben. Nie zuvor in der Geschichte Dänemarks wurde so viel in
die Verteidigung des Landes gesteckt wie gerade in dieser Zeitepoche. Auch wenn
sich Dänemark gegen die Stationierung von Atomwaffen auf seinem Territorium
ausgesprochen hatte und die NIKE & HAWK von den USA „nur“ geleast waren…
Am Sonntag, den 22.11., ging es nach Stevns - zum
Leuchtturm, einer ehemaligen HAWK-Batterie sowie einer
Küstenbeobachtungsstation. Wer een betten plattdüütsch verstahn künnt, der bekommt
es in dem Fall auch aus dem Dänischen hin: „KYSTUDKIGSHÜTTEN“… dann u.a. weiter zu
einer ehemaligen Funkabhörstation des dänischen Geheimdienstes nach Gedesby.
Innen ausgeräumt und verwahrlost, aber auf dem Turm moderne Mobilfunktechnik
und entsprechend auch so genutzt. Um 13.30 Uhr mit der Fähre Richtung Rostock.
Fragen, die man sich nach einer Reise zumeist stellt: wie war die Reise, was
brachte uns die Reise?
Einige Gedanken von Hartmut Hädicke über die Reise…
“…
Bereits auf dem Schiff entstand eine lebhafte und interessante Diskussionsrunde
über unsere Erlebnisse aus der Zeit des Kalten Krieges im Rahmen der
Luftverteidigung an der Nordgrenze zwischen Warschauer Vertrag und NATO. Hier
gab es kaum einen Tag, an dem wir es nicht mit Anflügen von westdeutschen und
auch dänischen Fliegerkräften auf die Staatsgrenze der DDR zu tun hatten. Ich
habe persönliche mehrere Luftraumverletzungen auf den Bildschirmen unserer
Funkmessstationen und sogar auf dem Bildschirm der Fernsehkamera unserer
Raketenleitstation mitverfolgt. Allerdings hatten wir ein strenges Verbot diese
Luftziele mit unseren Möglichkeiten zu bekämpfen. Gleichzeitig mit uns wurden
auch die Jagdflieger alarmiert, deren Aufgabe es war diese Flugzeuge aus unserm
Hoheitsgebiet zu begleiten. Hätten wir so gehandelt wie die türkischen
Streitkräfte bei dem aktuellen Abschuss der russischen SU-24, wäre es sicher
nicht zu der friedlichen Wiedervereinigung unseres Volkes gekommen…
Uns war es
wichtig, unseren dänischen Gastgebern auch noch 25 Jahre nach dem Mauerfall zu
erklären, dass es stets das Ziel für uns war, durch gute fachliche Kenntnisse
und einen hohen Ausbildungsstand unserer Besatzungen einen Krieg zu verhindern
und nicht einen Krieg zu führen. Gemeinsam kamen wir zu der Erkenntnis, dass
wir alles dafür tun müssen um niemals wieder in eine Situation zu kommen, wo
durch einen kleinen Funken ein großer Weltenbrand entstehen kann. Und - wir
waren uns auch darin einig, dass sich unsere Welt bereits wieder in einer sehr
gefährlichen politischen Lage befindet und täglich unschuldige Menschen durch
Kriegshandlungen sterben müssen. Ein neuer Krieg, egal durch wen und wo, kann
doch nicht die logische Schlussfolgerung aus unserer Geschichte sein. Ich
möchte mich abschließend noch einmal bei den Organisatoren dieses Treffens
bedanken und hoffe, dass wir mit unserem Meinungsaustausch zu einer positiven
Geschichtsaufarbeitung beigetragen haben.“ (Zitat, H. Hädicke)
Wir möchten uns bei Thomas Tram Pedersen für die
Einladung, für die äußerst sachkundige Führung und Begleitung, für sein
Engagement und die Gastfreundschaft ganz herzlich bedanken! Und freuen uns auf seinen Besuch des TRADI SANITZ! Auch den anderen
dänischen Teilnehmern für die Offenheit, das Vertrauen und die Freundlichkeit
nochmals vielen Dank! Mit dem
NDR-Team haben wir uns gut verstanden. Wir denken, dass wir das Projekt
ZEITREISE mit dem Thema „Kalter Krieg in der Luft“ sachgerecht & objektiv
unterstützt haben und sind gespannt auf die Sendung im NORDMAGAZIN des
NDR im Januar 2016…
Zum Weihnachtsfest und zum neuen Jahr 2016 wünschen
wir Euch alles Gute, vor allem Gesundheit!
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