Dienstag, 8. März 2011

Späte Aufregung

Bereits Ende Januar versandte der Traditionsverband NVA e.V. Einladungen an seine Mitglieder sowie tatsächliche oder vermeindliche Sympathisanten zu einer Festveranstaltung zum 55. Jahrestag der Nationalen Volksarmee. Am Samstag, den 5. März 2011, trafen sich - lt. Pressemeldungen - rd. 100 bis weit über 200 ehemaligen NVA-Angehörige im Berliner Tierpark. Ehrengast und ein Redner war Armeegeneral Heinz Keßler.

Am gleichen Tag schlagzeilte bereits der Berliner Kurier: "Die Geheim-Partys der roten Veteranen - Zur Feier des Tages standen im Tierpark Ex-Soldaten vor ihrem Ex-Minister stramm". Bei diesem Hintergrund, kann der Leser von diesem Qualitätmedium keine Kenntnisse im Liedgut der deutschen Arbeiterbewegung und der NVA erwarten. Der Autor schrieb: "Und das Heer der Keßler-Getreuen ist noch immer auf Zack. Als ein Trompeter das Lied „Ich hatte einen Kameraden“ spielte, erhoben sich die Kämpfer ruckartig von den Stühlen und standen stramm." Das die "Kämpfer" zu den Klängen des Hans-Beimler-Liedes aufstanden, hätte ihm vielleicht gesagt werden müssen ...

Am nächsten Tag legte der Berliner Kurier eine "Schippe" nach: "Wie Karneval sah das aus, aber es war ihnen wirklich ernst! Pompöse Schützenschnüre, Paradesäbel und gewichste Knobelbecher zu NVA-Uniformen. So zeigten sich rote Veteranen am Sonnabend im Tierpark. Stellt sich natürlich die Frage: Dürfen die das überhaupt? Die Rechtsgelehrten scheinen sich einig: Ja." Vermutlich die "Rechtsgelehrten" des Berliner Kuriers. Es ist wie immer: Es kommt darauf an, wer und warum eine Uniform trägt. Grundsätzlich kann sich jeder anziehen was er will, als Verbote greift hier:

§ 3 VersammlG
"1) Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen." Ausnahme bilden - auf Antrag - Jugendverbände ... das trifft auf NVA nicht zu.

... i.V.m. § 28 VersammlG:
"Wer der Vorschrift des § 3 zuwiderhandelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft"

Will sagen: Wenn die "NVA" als Trachtengruppe daherkommt gibt es keine Probleme mit der Staatsmacht. Sollte jedoch jemand darin eine politische "Botschaft" vermuten, ermittelt ggf. der Staatsanwalt.

Das politisches Strafrecht immer nur im Rahmen der Zweckmäßigkeit angewendet wird und derzeit "soziale Drohungen" als ausreichend erachtet werden, zeigt die Meldung des Tagesspiegels vom Montag. Demnach erhalte der Cafeteria-Betreiber, wie auch ein Tierpark-Mitarbeiter, eine Abmahnung. Begründung: "Grundsätzlich stünden Zoo und Tierpark jedermann offen, auf keinen Fall gebe es aber Platz für Systemträger von Diktaturen oder gar Verfassungsfeinde." Wer "Systemträger von Diktaturen" und "Verfassungsfeind" ist, bestimmen in Bundes-D-Land immer noch Unternehmer, hier: Vertreter der Berliner Tierpark GmbH. Dafür will man "die Anweisungen" noch einmal präzisieren. Den Betroffenen wurden "juristische Schritte bis hin zur Kündigung von Verträgen" angedroht.

Woran erinnert mich das bloß? Klar: Die Feier zur Entlassung von Egon Krenz in einer Honda-Vertretung, Anfang des Jahres 2004. An der Feier nahmen damals ebenfalls Heinz Keßler teil, Persönlichkeiten wie Fritz Streletz und Peter-Michael Diestel erschienen. Im Unterschied zu letzten Samstag waren in 2004 auch PDS-Chef Lothar Bisky und sein Stellvertreter Wolfgang Methling anwesend. Deren Partei, heute "Die Linke", konnte sich diesmal nicht schnell genug von der NVA-Veranstaltung distanzieren. Dem Honda-Vertreter wurde ebenfalls mit der Kündigung der Verträge gedroht.

Warum die Aufregung?

Die Frage wirft die junge welt auf und zitiert das Präsidiumsmitglied des Verbandes, Wilfried Reuter: »Wir dienten einem Staat, der eine Politik des Friedens betrieb. Kein Soldat der NVA hat jemals in kriegerischer Absicht das Territorium eines anderen Staates betreten.« Und schreibt weiter: "Während Politiker der beiden Militärblöcke Mitte der 70er Jahre bekannt hätten, daß Krieg kein Mittel der Politik sein könne und dürfe, so Reuter weiter, werde heute erklärt, daß Krieg zur Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen legitim sei."

Hochaktuell, wie bspw. in Libyen: Der Aufruhr scheint mißglückt, nun wird die Invasion vorbereitet. Natürlich mit bundesdeutscher Beteiligung. Da stört die NVA - die einzige deutsche Armee, die nie einen Krieg geführt hat. Schön, wenn sie nicht nur als Trachtengruppe daherkommt: Dem Frieden verpflichtet!

Vorsorglich: Ich habe an obiger Maßnahme nicht teilgenommen.

Interne Links:
http://ddr-luftwaffe.blogspot.com/2011/02/geschichtsschreibung.html
http://ddr-luftwaffe.blogspot.com/2011/02/sanktionen-gegen-libyen.html

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen