Dienstag, 11. Februar 2014

Erziehung im Kindergarten

Frauen aus dem Bereich Volksbildung, Erzieherinnen und Lehrerinnen, waren bevorzugte Partnerinnen von Berufssoldaten. Da inzwischen die dollsten Geschichten über die Indoktrination in "DDR- Kitas" geschwätzt wird, beim Töpfchenzwang beginnend, bin ich mal eben 500km gefahren und habe nun ein 288seitiges Buch vor mir liegen mit dem Titel: 

"Programm für die Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kindergarten" (1985)

 
Das Programm trat am 1. September 1985 in Kraft und "Der Minister für Volksbildung M. Honecker" zeichnete sich verantwortlich. Es galt für Kinder ab den 3. vollendeten Lebensjahr für jeweils 3 Jahre. Es gab seit den 1960ern mindestens zwei Vorläufer, einer von 1977. Vorher mußte sich jede Erzieherin allein durchwursteln.

Für heutzutage siehe:
http://www.gew.de/Bildungsplaene.html
http://www.kindergartenpaedagogik.de/1951.html

Inhaltsverzeichnis des Programms:
* Die Hauptaufgaben der Bildung und Erziehung im Kindergarten (3 Seiten)
* Jüngere Gruppe (70 Seiten)
* Mittlere Gruppe (92 Seiten)
* Ältere Gruppe (97 Seiten)
* Literaturverzeichnis (1 Seite)
* Kinderliteratur (8 Seiten)
* Anhang (Kindergartenordnung)

Übrigens hieß zu meiner Zeit hieß die "Jüngere Gruppe" noch "diskriminierend" "Kleine Gruppe" und die "Ältere Gruppe" "Große Gruppe".

Der Inhalt für jede der drei Kindergartengruppen war grundsätzlich wie folgt strukturiert, hier am Beispiel der Jüngeren Gruppe:
* Ziele und Aufgaben der Erziehung der Kinder  (3 Seiten)
* Gestaltung des Lebens im Kindergarten (8 Seiten)
* Spiel (7 Seiten)
* Arbeit (3 Seiten)
* Beschäftigung (2 Seiten)
* Zu den inhaltlichen Aufgaben der Sachgebiete (1 Seite)
* Muttersprache und Kinderliteratur (11 Seiten)
* Bekanntmachung mit dem gesellschaftlichen Leben (7 Seiten)
* Bekanntmachung mit der Natur (8 Seiten)
* Bildnerisch-praktische und konstruktive Tätigkeiten und betrachten von Bildkunstwerken (5 Seiten)
* Musik (5 Seiten)

In der Jüngeren Gruppe war bspw. innerhalb von zwei Wochen folgende Inhalte vorgesehen:
* Muttersprache und Kinderliteratur 2x
* Bekanntmachung mit dem gesellschaftlichen Leben 1x
* Bekanntmachung mit der Natur 1x
* Sport 2x
* Bildnerisch-praktische und konstruktive Tätigkeiten und betrachten von Bildkunstwerken 3x
* Musik 1x

Die Dauer der Beschäftigung betrug jeweils "bis 15 Minuten", Sport "20 - 30 Minuten".

Und jetzt kommt das "Furchtbare": Von den ca. 170 Minuten Beschäftigung innerhalb von zwei Wochen waren knapp 10% "Bekanntmachung mit dem gesellschaftlichen Leben" ... was per se nichts schlechtes ist.

Bleiben wir bei der Jüngeren Gruppe. Die Kinder sollten u.a. lernen:
- Name des Heimatortes, ihre Wohnanschrift und die Adresse des Kindergartens
- lernen sich im Ort zu orientieren und wichtige Sehenswürdigkeiten kennen
- die Erzieherinnen weisen darauf hin, daß "dies alles durch fleißige Arbeit ihrer Eltern und anderer Werktätigen möglich wird".
- die Kinder lernen kennen: Werktätige, den ABV, Feuerwehr
- sie wissen, daß sie in der DDR leben und Berlin die Hauptstadt ist, das schließt die Fahne und Erich Honecker mit ein.
- den Kindern ist an Beispielen verständlich gemacht werden, daß in der DDR gut für die Kinder gesorgt wird und das nicht in allen Ländern so üblich ist.
- sie begehen den Republikgeburtstag feierlich
- sollen erste Vorstellungen entwickeln, welche anderen Städte und Dörfer zur DDR gehören.

Zudem war angewiesen: Die Kinder lernen noch etwas "Von der Arbeit der Werktätigen", so welche Aufgaben die Köchin und der Hausmeister im Kindergarten haben, sollen Bauarbeitern zuschauen und sind anzuregen, Aufgaben im Haushalt der Familie zu übernehmen. Da dies geschützt werden muß, sollen die Kinder "über Bilder und Erzählungen erfahren, daß die Soldaten der nationalen Volksarmee stark, mutig, klug, geschickt und immer einsatzbereit sein müssen, viel Sport treiben und sich im Schießen üben." Es sei "Stolz" zu entwickeln, soweit Familienangehörige in den bewaffneten Organen dienen oder dienten.

"Von der Freundschaft mit der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Ländern" handelt eine halbe Seite, wonach die Kinder "Matrjoschka, Buratino und Mischka als Spielzeug" kennenlernen und erfahren, daß der Kindertag auch in anderen Ländern begangen wird.

Dann soll noch kurz "ihr Wunsch" geweckt werden, Kindern zu helfen, die "in Armut und Elend" leben. Dann kommt im "Programm" eine Seite Verkehrserziehung.

Mein FAZIT
Für jemanden, der nicht sofort beim  Wort "Sozialismus" die Haßkappe überzieht, für den ist das "Programm für die Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kindergarten" wohl noch heute eine wertvolle Handreichung für Erziehung und Bildung.

Problematisch war an dem Programm m.E. lediglich, daß es mit beginnender Krisenzeit herauskam und die gesteckten Ziele kaum noch umsetzbar waren. So konnte zu dem Zeitpunkt kaum noch "Stolz" auf die NVA entwickelt werden.
 
So wird in Bezug auf DDR - Jugendliche im Heft 35 aus der Reihe "hefte zur ddr-geschichte" berichtet: "Eine positive Wirkung der ideologischen Arbeit im Sinne der Sicherheits- und Militärpolitik der SED zeigte sich bis in die 80er Jahre hinein auch in einer weitgehenden Akzeptanz des von der Partei propagierten Feindbildes." Jedoch: "Die Wirkung der ideologischen Arbeit im Sinne einer Identifizierung der Armeeangehörigen mit der Politik der SED nahm seit Mitte der 80er rapide ab." Also im Zuge der allgemeinen Krisenerscheinungen.
 
So antworteten im Rahmen "soziologische Erhebungen" der DDR-Jugendforschung auf die Frage: "Ziel der BRD-Politik ist es, den Sozialismus in der DDR zu beseitigen", mit ja:
1981 = 75 %
1985 = 66 %
1986 = 57 %
1987 = 50 %
1988 = 37 %   :-D
 
Auf die Frage: "Die Bundeswehr ist eine aggressive Armee", antworteten mit ja:
1981 = 77 %
1988 = 26 % :-D
 
Womit "eine ebenso deutliche Regression der Verteidigungsbereitschaft einherging."
 
Quelle der Umfragen und letzten Zitate: Das Heft 35 aus der Reihe "hefte zur ddr-geschichte", von Gerhard Merkel / Wolfgang Wünsche. Dort wird sich bezogen auf P. Förster: "Die deutsche Frage im Bewußtsein der Bevölkerung in beiden Teilen Deutschlands. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen. Einstellungen junger Menschen in der DDR" in: Materialien der Enquete-Kommission, Bd. V/2. Dieser Autor hatte wiederum "soziologische Erhebungen" der DDR-Jugendforschung ausgewertet und hoffentlich nicht "stille Post" gespielt.

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