Dienstag, 29. Juli 2008

Steinewerfer am 17. Juni 1953

Nachdem ich bereits einiges über den 17. Juni 1953 geschrieben hatte und auch über eine Ursache desselben, möchte ich über ein bekanntes Bild schreiben, es ist u.a. hier zu finden:
http://www.dhm.de/gifs/ausstellungen/bildzeug/s78.jpg

In einem Morgenpost-Artikel (offline) von 2003 wurde ein Manko des (ursprünglichen) Fotos enthüllt: Es "suggiere eine ruhigere Situation .... Im Original sind links einige wenige Passanten zu sehen. Aktentaschen in der Hand, scheinen sie zufällig vorbeizuschlendern. Der Platz wirkt leer, die Werfer agieren fast verloren." Aber man weiß Rat: "Werfer und Panzer werden so weit herangezoomt, dass sie das Bild nahezu ausfüllen. Jetzt ist die Bedrohung spürbar ...."

Mein Beitrag zum Thema "Bilder lügen nicht!"

Zu den Steinewerfern: "... ein bewegendes Bild von den Junikämpfern gegen SED-Diktatur und Besatzungsterror. Allerdings erfährt die Welt nicht, daß es sich bei den einem der beiden um den Westberliner Studenten Arno Heller handelte. Der war extra aus der Mensa des Städtischen Konservatoriums zu Potsdamer Platz geeilt, um an den großen Volksaufstand teilzunehmen. Der zweite Mann könnte durchaus ein Studienkamerad gewesen sein - Arno wußte es später nicht mehr. Oder aber auch der einundzwanzigjährige Horst Bernhagen, der in der Leipziger Straße von unbekannter Hand durch einen Kopfschuß getötet wurde. Vielleicht war es auch der Doktorand Stachowitz von der Freien Universität. Oder einer der Tausenden DDR-Flüchtlingen aus dem Neuköllner Lager in der Gaigerstraße, aus dem Jugendheim Ganghoferstraße, aus dem Lager Marienfelde und wo sonstwo DDR-Flüchtlinge lagerten, ... Mein Versuch, mit allen oder wenigsten einem dieser Helden zu sprechen, schlug fehl: Arno Heller, der angeblich in Buckow wohnt, war dort nicht auffindbar ...." (Spurensicherung, Bd.2 : Zeitzeugen zum 17. Juni 1953; aus 1999)

ABER zum Glück war da noch der Journalist und Drehbuchautor Will Tremper: er wollte nach immerhin 40 Jahren herausgefunden haben will, daß der linke Steinewerfer Hans-Joachim MAITRE aus Bernau und der rechte Erwin KALISCH aus Hoppegarten sei. Dummerweise soll MAITRE sich in Boston und KALISCH sich in Brasilien aufhalten und als Zeitzeugen nicht zur Verfügung stellen.

Die MAITRE-Saga hat ihren Ursprung in der Bild-Ausgabe vom 18. Juni 1984 (auch nicht gerade zeitnah und "seriös"). Demnach soll 1953 als FDJ-Funktionär aus Honeckers Umfeld (hört, hört!) tätig gewesen sein. Infolge soll er "ein halbes Jahr bei den Russen" in Haft gesessen haben, dann Straflager, das Fluch in den Westen. Für den Zweiten hat B*ld nur den Hinweis auf "Brasilien".

Der Name des rechten Steinewerfers "schon" am 17. Juni 1993 - also pünktlich zum 40. Jahrestag - auf: KALISCH, nicht nur aus Hoppegarten, sogar noch "Arbeiter der Stalinallee" - perfekter geht es nicht. Dummerweise muß selbst die "Berliner Morgenpost" am 15.06.2003 über die Erinnerungen vom Journalisten Will Tremper schreiben: "Bei den zwei Seiten über die Werfer-Szene dürfte es sich eher über wilde Phantasie handeln", so:
* Quark über die Nationalhymne
* Strafbataillon bereits 1953 in der "NVA"

Die o.g. Zeitung daher: "Angesichts weiterer Fehler sind Zweifel angebracht, ob die Geschichte stimmt. MAITRE und KALISCH selbst haben sie nie bestätigt oder ausführliche Schilderungen gegeben." und bringt als weitere potentielle "Provokateure" u.a. Arno HELLER ins Spiel.

Ein Journalist hatte 2003 Maitre in Boston aufgesucht und die Berliner Zeitung berichtete darüber. Der Artikel ist leider für meinen Geschmack bemerkenswert inhaltsleer, von Gin abgesehen. Eigentlich sagte MAITRE dort nur, daß er es gewesen sei, er der FDJ-Funktionär, "den die Russen nach dem 17. Juni verhörten, den ein DDR-Gericht zum Dienst in einem Strafbataillon der Nationalen Volksarmee verurteilte, der dort Unteroffizier wurde und sich bei einem Manöver über Tschechien nach Bayern absetzte. Heute lebe er übrigens in Boston. Sagte Will Tremper, und es stimmte.".... Wiederholung des Uffz im pränatalen NVA-Strafbatallion

ABER »"Ach, Tremper, der war doch ein Lügenbaron, und von daher ist es vielleicht nicht so gut, wenn die eigene Geschichte über den 17. Juni in Trempers Buch steht, das klingt dann vielleicht unglaubwürdig." Und dass die Sache unglaubwürdig klingt, das will Maitre dann auch wieder nicht.«Aber wie es nun war, erzählt er auch nicht. Dafür kriegen wir weitere erklärtermaßen unwahre Anekdoten präsentiert. Als "wahr" erfahren wir: »Dann sind wir in Vietnam. Da war er als Kriegsreporter. "Es war die beste Zeit", sagt er. "Vier Tage lang bin ich Luftangriffe der Amerikaner mitgeflogen." Ich frage ihn, ob er auch mal Panzer gefahren ist. "Ja, bin ich", sagt er, mehr nicht.«

Übrigens ist Maitre, H Joachim, ist nicht nur irgendein exFDJ-Funktionär sondern auch ein exChef im Springer-Konzern - wir erinnern uns, dieser (B*LD) brachte 1984 die Story als erstes - und soll desweiteren Geheimdienstkontakte haben. Er ist Professor in den USA und sei am "Center for Defense Journalism" tätig.

Wie schrieb die Berliner Morgenpost so schön: "Vielleicht sollte man Ikonen nicht allzugenau untersuchen. Es schafft nur Enttäuschungen."

2 Kommentare:

  1. hat dann meine tante von der stasi recht das " da nur rechte brd-ler und von den amis bezahlte konterrevolutionäre verscheucht wurden!"?

    AntwortenLöschen
  2. 1950 lebten lt. statistischem Bundesamt 18,4 Mill. Bürger in der DDR, davon waren 7,7 Mill. berufstätig. Laut BSTU nahmen an den Protesten des 17. Juni 1953 geschätzt zwischen 400.000 und 1,5 Millionen Menschen teil. Die Zahlen können auch bei wikipedia nach gelesen werden.
    Das heißt also, dass je nach Sichtweise, ungefähr geschätzt 5,2 % bis 19,5% der berufstätigen Bevölkerung an den Protesten teilnahmen.
    Wie viele Teilnehmer braucht ein Protest um als "Volksaufstand zu gelten?

    AntwortenLöschen