Montag, 8. August 2011

Aus der Geschichte von Barth



































Vorbemerkung:

Mit dem vorliegenden Beitrag setzen wir unsere begonnende Reihe zur Garnisonsgeschichte von Barth fort. Es ist die Zeit des Nationalsozialismus und des verbrecherischen Krieges, den das sogenannte "Dritte Reich" mit den Überfall auf Polen am 01.09.1939 begonnen hatte. Zu den obigen Fotos : Foto li. Lageplan Stalag Luft I, Foto re. Blick vom Kriegsgefangenenlager auf die Flak-Kaserne Barth. Der Major a.D. Karl Pirl aus der ehemaligen Fla-Raketenabteilung 4322 der NVA in Barth hat zur Geschichte im Stadtarchiv recherchiert. Hier aus seinen Aufzeichnungen :

" Eine zweite Garnison entsteht ...

Die Flakartillerie als Waffengattung im Rahmen der Luftwaffe wurde ab 1935 neu aufgestellt. Im Jahre 1938 begann im Barth-Vogelsang der Bau einer Flak-Kaserne. Ein Jahr später, im Mai 1939 verlegte die II. Abteilung des Flak-Lehrregiment von Tutow nach Barth. Hier wurde sie als Flak-Ersatzabteilung formiert. Das Flak-Lehrregiment bestand aus dem Stab in Stralsund, I./Flak-Lehrregiment in Zingst, II./Flak-Lehrregiment in Barth und III./Flak-Lehrregiment in Stettin. Im Oktober 1939 trafen in Barth schwere und schwerste Halbkettenfahrzeuge ein. 1940 entstanden die Basis-Nebenstände 1 (hinterste Berge) und 2 (Pruchten). Zur technischen Ausstattung der Flak-Schule gehörten u.a. 88 Kräder, 72 PKW, 103 LKW, 15 Zugkraftwagen und 15 Geschütze. Im Frühjahr 1942 wurde die Flak-Ersatzabteilung nach Güstrow verlegt. In Barth wurde dann die Rekrutenausbildung durchgeführt. Der Personalbestand eines Durchganges betrug 1.500 Mann. Die Flak-Abteilung bestand aus fünf Batterien: 1. Batterie 8,8 cm-Flak,2. Batterie 2 cm-Flak, 3. Batterie 3,7 cm-Flak, Scheinwerfer-Batterie, Stabs-Batterie. In den einzelnen Batterien wurden 180 bis 300 Mann ausgebildet.

Die Fiseler 103 (V1) gehörte zu den modernen (Raketen-) Waffen, die in erster Linie zu Angriffszwecken entwickelt wurde. Gleichzeitig ging auch die Entwicklung von Raketen einher, die für die Flugabwehr eingesetzt werden sollten. Ende 1940 gab es bei der Luftwaffe insgesamt 1.500 Flak-Batterien mit einer Personalstärke von 425.000 Soldaten. Im Verlauf des Krieges wurde intensiv an der Weiterentwicklung der Flak-Waffen gearbeitet. Die Flak 8,8 cm, an der auch die Soldaten in der Flak-Schule Barth ausgebildet wurden, setzte einen Markstein in der Entwicklung der Rohrwaffen, der bis heute nicht wesentlich verbessert wurde. Die Geschosse erreichten eine höhere Schusspräzision und Durchschlagskraft aufgrund der Anfangsgeschwindigkeit von 1400 m/sec.

Die permanente Steigerung der Flughöhe und Geschwindigkeit von Flugzeugen stellte die Flugabwehr vor immer neue Probleme. Dies führte zur Entwicklung von Funkmessgeräten für die Frühwarnung, deren bekannteste das Freya-Gerät (100 km Reichweite) und das Würzburg-Gerät (30 km Reichweite) waren. Parallel dazu entwickelten die Alliierten Streitkräfte Funkmessstörungen, um diese Geräte nachhaltig zu stören.

Ab 1944 wurde in Deutschland verstärkt an der Entwicklung einer neuen Waffengattung gearbeitet, den Fla-Raketen. In der kurzen Zeit bis zur Kapitulation wurden die Projekte „Schmetterling“, „Wasserfall“, „Rheintochter“, „Enzian“ und „Feuerlilie“ entwickelt, die zwar nicht mehr zum entscheidenden Truppeneinsatz kamen, jedoch die Basis für die nach dem 2. Weltkrieg entstehenden Flugabwehrraketensysteme in Ost und West bildeten. Weitere Luftabwehrraketen sind „Orkan“ und „Taifun“.

Bedingt durch die Belegung der Stadt Barth mit zwei Kasernen gleichzeitig, nahm die Stadt einen ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung. Neue Betriebe entstanden, bestehende konnten erweitert werden, was einen starken Bevölkerungszuwachs zur Folge hatte. War die Stadt 1933 bei rd. 7000 Einwohnern noch hoch verschuldet, so musste 1940 der Wirtschaftsplan wegen des erwirtschafteten Überschusses nach oben korrigiert werden. Die wirtschaftliche Entwicklung löste ein bis dahin nicht gekanntes Wohnungsbauprogramm aus. Für den Fliegerhorst und die Flak-Schule waren bis zum Juni 1940 bereits 374 Wohnungen fertiggestellt. Die Wohnungen, 50 Offiziers-, 150 Unteroffiziers-, 146 Arbeiter- und 28 Reichswohnungen entstanden in der Herrmann-Göring-Allee (heute Franz-Mehring-Straße), Richthofenstraße (heute Karl-Marx-Straße), Chausseestraße, im Lohmühlenweg, Hölzernkreuz-Weg, Grünen Weg und Vogelsang. Gleichzeitig wurden für die Gevolkschaftsmitglieder (Betriebsangehörige) der Pommerschen Industrie Werke GmbH (PIW) und Bachmann Flugzeugwerke Wohnungen gebaut. Die Bevölkerung stieg bis 1941 einschließlich Wehrmacht auf ca.18.000 Einwohner an.

Mit der Zerstörung der Heinkel-Werke in Rostock-Marienehe durch anglo-amerikanische Bomber im Jahre 1942, wurden die Produktionsstätten auf 40 kleine und mittlere Betriebe in Mecklenburg und Pommern verteilt. Eine dieser Produktionsstätten wurde auf dem Fliegerhorst Barth eingerichtet. In Barth erfolgte die Montage von Flugzeugen der Typen He 111 und He 219. Im Herbst 1944 begannen dann die Arbeiten am Strahljäger He 162. Wie viel Maschinen diesen Typs noch gefertigt wurden und ob es Flugeinsätze gab, konnte noch nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Im Herbst 1943 ließ Wehrwirtschaftsführer Ernst Heinkel auf dem Fliegerhorst Barth ein Außenlager des KZ Ravensbrück unter der Tarnbezeichnung "Müllerwerk" einrichten. Zu diesem Zweck wurden einige Kasernengebäude umgebaut und mit einem Zaun versehen. Am 9. November 1943 trafen die ersten Häftlinge im KZ Barth ein. Alle im Laufe der Zeit im Heinkel-Werk eingesetzten Häftlinge kamen aus den Konzentrationslagern Buchenwald, Neuengamme, Sachsenhausen, Dachau, Peenemünde und Ravensbrück.

Eine ausführliche Darstellung dieses traurigsten Kapitels Barther Geschichte wurde von Helga Radau unter dem Titel "Nichts ist vergessen und niemand" im SCHEUNEN-VERLAG veröffentlicht.

Im Februar 1945 fand eine Belegung des Fliegerhorstes durch die Flugzeugführerschule B 4 statt, jedoch ohne Schulbetrieb. Die letzten Stationierungen deutscher Luftwaffenkräfte auf dem Fliegerhorst Barth gab es im April 1945. Im März und April flog die I./KG 66, ausgerüstet mit Ju 88 S-3, Einsätze zur Unterstützung der Absetzbewegung des Heeres und Markierungseinsätze für den Mistelverband KG 30, der Einsätze gegen die Oder-Brücken flog. Ende März war die I.KG 66 in Tutow stationiert, vom 15. bis 30. April in Barth und dann in Neumünster. Am 5. Mai wurde in Neumünster der Sonderverband des I./KG 66 aufgelöst, die fliegenden Teile verlegten nach Aalborg und am 7. Mai nach Stavanger, von wo aus am 8. und 9. Mai einzelne Flugzeuge Einsätze in den Kurlandkessel und zurück flogen. Am 28. April 1945 traf die III. Gruppe des Schlachtfliegergeschwaders 1 auf dem Fliegerhorst Barth ein. Zwei Tage später, am 30. April, wurden die letzten Einsätze von Barth aus in den Raum Neubrandenburg und Greifswald geflogen. Nach dem dritten Start an diesem Tag erfolgte die Landung in Wismar. Auch eine spätere sehr bekannte Unternehmerin in der BRD machte in diesen Tagen in Barth Zwischenlandung. Es war Beate Uhse, die am 22. April 1945 gegen 6.30 Uhr mit einer Siebel 104 zur Landung ansetzte. Mit ihr flogen ihr Sohn Klaus, das Kindermädchen Hanna, der Bordmonteur Hans Vedder und zwei Verletzte. Sie konnte das eingeschlossene Berlin vom Flugplatz Gatow aus gerade noch verlassen. Am 30. April 1945 um 4.57 Uhr ging es weiter von Barth über Travemünde nach Leck in Nordfriesland. Dort geriet sie später in britische Gefangenschaft.

Der Irrsinn des Krieges nahm kein Ende ...

obwohl es schon die sprichwörtlichen 5 min. nach zwölf waren : so am am 25. April 1945, als auf dem Dänholm in Stralsund die Befehlsausgabe an junge Rekruten und Seeoffiziersanwärter zum Einsatz in Berlin für den persönlichen Schutz des Führers erfolgte! Nach der Ausgabe von Waffen, Munition und Verpflegung wurden die Matrosen auf die Kompanien des Alarmbataillons verteilt, dessen Kommandeur der Kapitänleutnant d. Res. Franz Kuhlmann war. Am Abend wurde das Personal mit Bussen und LKW zu den Fliegerhorsten Pütnitz und Tutow gebracht. Von Tutow aus konnten in der Nacht sechs Maschinen des Typs Ju 352 in Richtung Gatow abfliegen. Gatow war zu diesem Zeitpunkt der einzige noch in deutscher Hand befindliche Berliner Flugplatz, auf dem gelandet werden konnte. Von vier Maschinen weiß man, wie der Flug ausging. Eine Ju 352 wurde beim Anflug auf Staaken durch sowjetisches MG-Feuer so schwer beschädigt, dass sie in Gatow notlanden musste und explodierte. Wie durch ein Wunder überlebte die Besatzung. Eine zweite Ju 352 kehrte nach Flak-Beschuss um und landete am Morgen des 26. April wieder in Tutow. Die dritte Maschine konnte in Gatow landen, setzte ihre Ladung ab und flog nach 20 Minuten mit Verletzten Personen wieder nach Tutow zurück. Die vierte Ju 352 wurde beim Anflug auf Gatow durch heftiges MG-Feuer am Fahrwerk und der Kanzel beschädigt und musste deshalb wieder umkehren. Sie flog nicht nach Tutow sondern nach Barth, wo sie eine Bruchlandung machte. Die Maschine wurde erheblich beschädigt, die Mannschaft erlitt jedoch keine ernsthaften Verletzungen.

Neben der Flak-Kaserne entstand bis Juli 1940 das Kriegsgefangenenlager Stalag Luft 1. Am 31. Januar 1941 war Stalag Luft 1 mit 567 britischen und 8 französischen Kriegsgefangenen belegt. Zu Kriegsende befanden sich dort 1.202 britische, 5.391 US-amerikanische und 177 sowjetische Gefangene, ca. 1.500 Gefangene aus dem Kriegsgefangenenlager Stalag Luft 4 wurden noch nach Barth evakuiert. Die Stärke der Kriegsgefangenen erhöhte sich zum 11. April 1945 bei den US-Amerikanern auf 7.588 und bei den Briten auf 1.351. Am 29. April 1945 führte der Lagerkommandant Oberst Warnstedt mit den Offizieren unter den Gefangenen eine Versammlung durch. In dieser teilte er mit, dass das Lager nach Westen verlegt werden soll. Die Gefangenen gaben zu verstehen, dass sie eine Verlegung ablehnen. Daraufhin setzt sich der Kommandant mit der Wachmannschaft, sie gehörten zur Landesschützenkompanie 1038, in den Morgenstunden des 30. April nach Westen ab ... " - Fortsetzung folgt !

In eigener Sache :

Hinweis für Ehemalige der 43. Fla-Raketenbrigade und Interessierte : am Sonnabend, den 01.10.2011, hat wieder das TRADI im Schwarzen Weg 1,18190 Sanitz, von 10.00 - 15.00 Uhr bei B.Kirchhainer geöffnet. Wir laden Euch ein zum Tag der offenen Tür !!

Und : falls Ihr noch Fotos / Zeitdokumente / Technikteile usw. habt ...




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