Ich habe keine Ahnung, wie die BRD - Behörden in den letzten Jahren die "alternativen" Jugendlichen mit ihren Kampfhunden von der Straße bekommen haben, wie das Straßenmusikantenunwesen zivilisiert wurde ... und die Trinker vor der Kaufhalle sind auch selten geworden. Menschen, die von gesellschaftlichen Normen abweichen, wurden früher nicht nur abwertend sondern auch offitziell als "Asoziale" bezeichnet. Heute gilt der Begriff nicht mehr als politisch korrekt und wird vermieden. Da ich "Penner", "Proll" oder - jüngst immer öfter gehört - "Hartzer" nicht besser finde, bleibe ich mal im folgenden bei dem Begriff "asozial".
Die BRD hat ihre Assozialen bis 1974 und die DDR bis 1979 mit Repressalien versucht in den Griff zu bekommen. Anschließend wurde die Methoden geändert.
Der erste Absatz des einschlägigen Paragraphen 249 des StGB - DDR "Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten" lautete bis 1979 wie folgt: »Wer das gesellschaftliche Zusammenleben der Bürger oder die öffentliche Ordnung dadurch gefährdet, daß er sich aus Arbeitsscheu einer geregelten Arbeit hartnäckig entzieht, obwohl er arbeitsfähig ist, oder wer der Prostitution nachgeht oder wer sich auf ändere unlautere Weise Mittel zum Unterhalt verschafft, wird mit Verurteilung auf Bewährung oder mit Haftstrafe, Arbeitserziehung oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft. Zusätzlich kann auf Aufenthaltsbeschränkung und auf staatliche Kontroll- und Erziehungsaufsicht erkannt werden.«
Der "Strafrechtspapst" der DDR, Erich Buchholz, nach 1990 dazu: »Zu den bedenklichen Vorschriften des DDR-StGB gehörte § 249, die Bestimmung gegen sogenannte kriminelle Asozialität; das Gesetz nannte dieses Delikt „Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch asoziales Verhalten“.
Diese Vorschrift ging letztlich auf Chrustschows Versuche, dem „Parasitentum“, der „Arbeitsscheu“ mit administrativen Mitteln bzw. mit Mitteln des Strafrechts Herr zu werden, zurück. Auch in der DDR unterlagen maßgebliche Stellen zu lange diesem Irrglauben. Aber, wie zunehmend klarer wurde, ein derartiges komplexes soziales Phänomen, wie Asozialität oder Dissozialität, läßt sich nicht mittels Strafrecht bekämpfen oder überwinden.
Zeitweise umfaßten die Straftaten nach § 249 StGB/DDR fast ein Drittel der festgestellten Gesamtkriminalität der DDR, zumal die betreffenden Personen auch dank der rigorosen, die Möglichkeiten der Strafe überschätzenden Rückfallvorschriften regelmäßig im Sinne dieser Vorschrift alsbald wieder straffällig wurden. Besonders bedenklich und bedrückend war, daß diese Vorschrift des § 249 StGB/DDR auch gegen nicht wenige Jugendliche angewandt wurde.
In diesen Zusammenhang gehört auch die Vorschrift über die Aufenthaltsbeschränkung (§§ 51, 52 StGB), die ursprünglich Konzentrationen von kriminellen Personen (z. B. in Großstädten) entgegenwirken sollte, dann aber besonders dadurch besonders bedenklich wurde, daß es auch zulässig wurde, den Aufenthalt in bestimmten Orten oder Gebieten anzuweisen, also eine bestimmte Art von Freiheitsbeschränkung auszusprechen« (Quelle; offline)
Mit Gesetz vom 28. Juni 1979 wurde in o.g. Paragraphen eine zusätzliche Bedingung für die Strafbarkeit, die Worte "und Sicherheit" eingefügt. Damit war der Paragraph "zahnlos". Die Beeinträchtigung der "öffentlichen Ordnung" nachzuweisen, war vergleichsweise "einfach", aber zusätzlich die "Sicherheit" durch Arbeitsscheuheit, war wohl nur in den seltesten und krassesten Fällen möglich. Herr Buchholz dazu: »Aufgrund entsprechender wissenschaftlicher Arbeiten sowie der zunehmend differenzierteren Rechtsprechung des Obersten Gerichts gelang es in den 80er Jahren, den Anteil der nach dieser Bestimmung verfolgten Jugendlichen fast auf Null zu reduzieren. Auch wurden erfolgversprechende Ansätze sozial und sozialpsychologisch orientierter Arbeit, so u. a. in Gestalt "besonderer Brigaden" und "geschützten Wohnens" in Angriff genommen.«
Endgültig wurde diese Vorschrift durch den Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik und nochmals ("sicher ist sicher" ;-)) durch das 6. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 29. Juni 1990 (GBl-DDR I S. 526) gestrichen.
Aber auch in der BRD galten häufiger »Stellenwechsel oder Renitenz gegen die Obrigkeit ... als Kennzeichen für arbeitsscheu und waren ein Symptom für Verwahrlosung. Kam die FürsorgerIn zu der Einschätzung, dass die Betroffene sich der Ordnung widersetzte, standen härtere Maßnahmen zur Verfügung wie z.B. der Freiheitsentzug. Erst 1974 wurden diese Paragraphen aus dem Bundessozialhilfegesetz gestrichen.« Einschlägige Rechtsvorschriften der BRD waren damals § 26 BSGH (ehem. § 20 Reichsfürsorgeverordnung = Unterbringung Arbeitsscheuer) und § 73 BSHG (Unterbringung Gefährdeter) und § 42 d StGB (Arbeitshaus).
Im Detail zu § 73 BSHG: Eine "Hilfe für Gefährdete" sollte diese zu einem geordneten Leben hinführen, insbesondere an regelmäßige Arbeit und erforderlichenfalls an Seßhaftigkeit gewöhnen. Nach § 73 Abs. 2 BSHG konnten Verstockte von einem Gericht auf unbestimmte Zeit in eine Anstalt eingewiesen werden, wenn diese besonders willensschwach oder in seinem Triebleben besonders hemmungslos und verwahrlost oder der Gefahr der Verwahrlosung ausgesetzt waren und die Hilfe nur in einer Anstalt wirksam gewährt werden könne.
Perfide finde ich hier, daß Auslöser für die Zwangsunterbringung lediglich die Armut der Betroffenen war. "Schon" 1967 wurde dieser Paragraph als verfassungswidrig erklärt, vgl.:
http://www.hartzkampagne.de/urteile/x_22_180.htm
Im Jahr 1969 fiel dann der § 42 d StGB. »Alle Varianten der zwangsweisen Arbeitshaus- bzw. Anstaltsunterbringung gegenüber sozialen Außenseitern verschwanden in den Jahren 1967 bis 1974 aus dem bundesdeutschen Straf- bzw. Fürsorgerecht, also in sozialgeschichtlich recht kurzer Zeit. Inwieweit die Abschaffung der strafrechtlichen, der fürsorgerechtlichen Arbeitshausunterbringung und der „Bewahrung“ des BSHG in einem inneren Zusammenhang zu sehen sind bzw. sich gegenseitig beeinflussten, ist bislang allerdings noch nicht erforscht« (Quelle).
Nur am Rande, es galt auch der § 1838 BGB, der in dieser Form erst 1991 abgeschaft wurde.
Mein Fazit:
Bis in die 1970er gab es im Umgang mit Asozialität in beiden deutschen Staaten eine repressive Komponente. Der Unterschied: Während in der BRD tatsächlich Armut der Auslöser für staatliches Handeln über das Bundessozialhilfegesetz war, war es in der DDR - vorsichtig formuliert - die alternative Jugend- Trinkkultur, soweit die öffentliche Ordnung gefährdert wurde.
Die BRD hat ihre Assozialen bis 1974 und die DDR bis 1979 mit Repressalien versucht in den Griff zu bekommen. Anschließend wurde die Methoden geändert.
Der erste Absatz des einschlägigen Paragraphen 249 des StGB - DDR "Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch asoziales Verhalten" lautete bis 1979 wie folgt: »Wer das gesellschaftliche Zusammenleben der Bürger oder die öffentliche Ordnung dadurch gefährdet, daß er sich aus Arbeitsscheu einer geregelten Arbeit hartnäckig entzieht, obwohl er arbeitsfähig ist, oder wer der Prostitution nachgeht oder wer sich auf ändere unlautere Weise Mittel zum Unterhalt verschafft, wird mit Verurteilung auf Bewährung oder mit Haftstrafe, Arbeitserziehung oder mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bestraft. Zusätzlich kann auf Aufenthaltsbeschränkung und auf staatliche Kontroll- und Erziehungsaufsicht erkannt werden.«
Der "Strafrechtspapst" der DDR, Erich Buchholz, nach 1990 dazu: »Zu den bedenklichen Vorschriften des DDR-StGB gehörte § 249, die Bestimmung gegen sogenannte kriminelle Asozialität; das Gesetz nannte dieses Delikt „Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch asoziales Verhalten“.
Diese Vorschrift ging letztlich auf Chrustschows Versuche, dem „Parasitentum“, der „Arbeitsscheu“ mit administrativen Mitteln bzw. mit Mitteln des Strafrechts Herr zu werden, zurück. Auch in der DDR unterlagen maßgebliche Stellen zu lange diesem Irrglauben. Aber, wie zunehmend klarer wurde, ein derartiges komplexes soziales Phänomen, wie Asozialität oder Dissozialität, läßt sich nicht mittels Strafrecht bekämpfen oder überwinden.
Zeitweise umfaßten die Straftaten nach § 249 StGB/DDR fast ein Drittel der festgestellten Gesamtkriminalität der DDR, zumal die betreffenden Personen auch dank der rigorosen, die Möglichkeiten der Strafe überschätzenden Rückfallvorschriften regelmäßig im Sinne dieser Vorschrift alsbald wieder straffällig wurden. Besonders bedenklich und bedrückend war, daß diese Vorschrift des § 249 StGB/DDR auch gegen nicht wenige Jugendliche angewandt wurde.
In diesen Zusammenhang gehört auch die Vorschrift über die Aufenthaltsbeschränkung (§§ 51, 52 StGB), die ursprünglich Konzentrationen von kriminellen Personen (z. B. in Großstädten) entgegenwirken sollte, dann aber besonders dadurch besonders bedenklich wurde, daß es auch zulässig wurde, den Aufenthalt in bestimmten Orten oder Gebieten anzuweisen, also eine bestimmte Art von Freiheitsbeschränkung auszusprechen« (Quelle; offline)
Mit Gesetz vom 28. Juni 1979 wurde in o.g. Paragraphen eine zusätzliche Bedingung für die Strafbarkeit, die Worte "und Sicherheit" eingefügt. Damit war der Paragraph "zahnlos". Die Beeinträchtigung der "öffentlichen Ordnung" nachzuweisen, war vergleichsweise "einfach", aber zusätzlich die "Sicherheit" durch Arbeitsscheuheit, war wohl nur in den seltesten und krassesten Fällen möglich. Herr Buchholz dazu: »Aufgrund entsprechender wissenschaftlicher Arbeiten sowie der zunehmend differenzierteren Rechtsprechung des Obersten Gerichts gelang es in den 80er Jahren, den Anteil der nach dieser Bestimmung verfolgten Jugendlichen fast auf Null zu reduzieren. Auch wurden erfolgversprechende Ansätze sozial und sozialpsychologisch orientierter Arbeit, so u. a. in Gestalt "besonderer Brigaden" und "geschützten Wohnens" in Angriff genommen.«
Endgültig wurde diese Vorschrift durch den Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik und nochmals ("sicher ist sicher" ;-)) durch das 6. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 29. Juni 1990 (GBl-DDR I S. 526) gestrichen.
Aber auch in der BRD galten häufiger »Stellenwechsel oder Renitenz gegen die Obrigkeit ... als Kennzeichen für arbeitsscheu und waren ein Symptom für Verwahrlosung. Kam die FürsorgerIn zu der Einschätzung, dass die Betroffene sich der Ordnung widersetzte, standen härtere Maßnahmen zur Verfügung wie z.B. der Freiheitsentzug. Erst 1974 wurden diese Paragraphen aus dem Bundessozialhilfegesetz gestrichen.« Einschlägige Rechtsvorschriften der BRD waren damals § 26 BSGH (ehem. § 20 Reichsfürsorgeverordnung = Unterbringung Arbeitsscheuer) und § 73 BSHG (Unterbringung Gefährdeter) und § 42 d StGB (Arbeitshaus).
Im Detail zu § 73 BSHG: Eine "Hilfe für Gefährdete" sollte diese zu einem geordneten Leben hinführen, insbesondere an regelmäßige Arbeit und erforderlichenfalls an Seßhaftigkeit gewöhnen. Nach § 73 Abs. 2 BSHG konnten Verstockte von einem Gericht auf unbestimmte Zeit in eine Anstalt eingewiesen werden, wenn diese besonders willensschwach oder in seinem Triebleben besonders hemmungslos und verwahrlost oder der Gefahr der Verwahrlosung ausgesetzt waren und die Hilfe nur in einer Anstalt wirksam gewährt werden könne.
Perfide finde ich hier, daß Auslöser für die Zwangsunterbringung lediglich die Armut der Betroffenen war. "Schon" 1967 wurde dieser Paragraph als verfassungswidrig erklärt, vgl.:
http://www.hartzkampagne.de/urteile/x_22_180.htm
Im Jahr 1969 fiel dann der § 42 d StGB. »Alle Varianten der zwangsweisen Arbeitshaus- bzw. Anstaltsunterbringung gegenüber sozialen Außenseitern verschwanden in den Jahren 1967 bis 1974 aus dem bundesdeutschen Straf- bzw. Fürsorgerecht, also in sozialgeschichtlich recht kurzer Zeit. Inwieweit die Abschaffung der strafrechtlichen, der fürsorgerechtlichen Arbeitshausunterbringung und der „Bewahrung“ des BSHG in einem inneren Zusammenhang zu sehen sind bzw. sich gegenseitig beeinflussten, ist bislang allerdings noch nicht erforscht« (Quelle).
Nur am Rande, es galt auch der § 1838 BGB, der in dieser Form erst 1991 abgeschaft wurde.
Mein Fazit:
Bis in die 1970er gab es im Umgang mit Asozialität in beiden deutschen Staaten eine repressive Komponente. Der Unterschied: Während in der BRD tatsächlich Armut der Auslöser für staatliches Handeln über das Bundessozialhilfegesetz war, war es in der DDR - vorsichtig formuliert - die alternative Jugend- Trinkkultur, soweit die öffentliche Ordnung gefährdert wurde.
Man schaue nur auf die britischen ASBO (Anti-Social Behaviour Order): »Diese Strafen für antisoziales Verhalten - der Begriff wurde von der in der Psychiatrie angewendeten, auch schon recht schwammigen Diagnose der "antisozialen" bzw. "dissozialen" Persönlichkeitsstörung übernommen - deckten ein breites Feld von unerwünschten Verhaltensweise ab, die von Pöbeleien, Bedrohungen, Ruhestörung, Bildung von Gruppen, Anbringen von Graffitis oder Wegschmeißen von Abfall auf Straßen bis hin zum Betteln, Fluchen, rassistischen oder beleidigenden Äußerungen, Spucken oder übermäßigen Alkoholgenuss reichen können. Verhängt werden können Geldstrafen, Verhaltensabmachungen, Ausgangs- und Aufenthaltsverbote. Bei Nichtbeachtung droht Jugendlichen Erziehungshaft, auch die Eltern können bei Kindern zur Verantwortung gezogen werden. Unter Blair gipfelte dies bereits in der kämpferischen Pose, nun den Respekt durchzusetzen (Blair will "antisoziales Verhalten" ausrotten)« (Teleoplis).
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