Vorbemerkung :
Wie bereits angekündigt, in FOLGE 17 nun der Teil II des Erinnerungsberichtes von Detlef Merten, Wehrpflichtiger von 1981 - 1982 in der FRA 4322 in Barth und als Reservist 1986 auf dem AGS ( automatisierter Gefechtsstand ) in Rövershagen. Und immer als Planzeichner und " Otto " - nicht als Detlef Merten. Deshalb nannte er seinen Beitrag auch " Resi Otto ". Der Teil I endete mit der Rückkehr aus dem Feldlager Lieberose und der Vorstellung von Ausgang & Urlaub. Aber die Aufgabe Gefechtsschießen im " großen Land " stand nun bevor :
" ... Die sogenannte Tropenimpfung gegen Typhus, Parathyphus, Pocken usw. in Neubrandenburg ist der nächste Schritt dahin, dann ging es los ! Zunächst ersteinmal nur bis Stavenhagen, weil dort noch Kettenfahrzeuge der Truppenluftabwehr verladen werden mußten. Beim Beladen gab es plötzlich einen urischen Knall – eine Lafette war von der Verladerampe gerutscht. Zum Glück kein Unfall mit Personenschaden ! Für die Beteiligten und Verantwortlichen natürlich der Horror, zumal einige Generäle dabei waren.
Irgendwann fuhren wir los Richtung Polski. Es kriselte bereits zu diesem Zeitpunkt in unserem Nachbarland. In der Presse war zu lesen, dass man dort in die Tanks der auf Güterzügen transportierten Traktoren z.B. Kies gefüllt hatte. In Frankfurt ging es über die Grenze. Was wir unterwegs sahen, war nicht immer gerade aufmunternt, zeigte aber das Leben. So sahen wir Gleisbautrupps, wo die Kerle auf der Böschung lagen und Wodka tranken, während die Frauen die Gleise schotterten.
In Brest angekommen ...
hieß es Antreten und Ausweise raus ! Von der Kontrollgruppe stand noch jemand mit dem Rücken zu uns, wir hörten das Klicken, wie er die Pistole durchzog. Während schwarz Gekleidete mit Hunden die Waggongs durchsuchten, erfolgte bei uns die Ausweis – und Gesichtskontrolle. Äußerst genau wurde kontrolliert, einer mußte zurückbleiben, weil angeblich das Foto nicht ganz stimmte. Wegen der unterschiedlichen Spurbreite mußte umgeladen und umgezogen werden. Weiter nun in Richtung Moskau, da waren gerade die Olympischen Sommerspiele. Wir waren 2 Tage in der Stadt, konnten aber nicht zu den Spielen ...
Nach Tagen auf der Bahn mit dürftiger Hygiene waren wir froh, unterwegs auf Bahnhöfen uns mit nackten Oberkörper unter die Wasseranschlüsse legen zu können. Der Andrang war entsprechend groß, keiner wußte ja genau, wann es weitergeht. Auf 2 Waggons waren große transportable Gummi - Wasserbehälter gelagert. Da das Wetter gut war, entschlossen wir uns, bis zum nächsten Halt auf diesen Tanks zu sitzen. Ein wunderbares, riesiges Wasserbett – es waren 2 Std. Erholung pur !
Auf der Fahrt durch das große Land alle paar hundert Kilometer mal einige Dörfer, mit den typischen Holzhäusern bzw. Holzhütten. Sonst nur Steppe ringsherum … Wenn uns mal ein Zug entgegenkam, konnte man sehen, wie die Schienennägel hochwippten. Und auf solchen Gleisen fahren wir nun ... Im Zug selbst herrschte am Tage ziemliche Ruhe, abends ging es dann manchmal etwas lauter und teilweise auch fröhlicher zu, jedenfalls bei den höheren Dienstgraden. Unser Kompaniechef ließ uns – im Hoffen auf ein gutes Ergebnis beim Gefechtsschießen – ab und zu ein Fläschchen zukommen.
Dann näherten wir uns Aschuluk ...
uns erwartete Wüste und Hitze, morgens um 10.00 Uhr bereits 45 ° C. Hier sollten wir nun 5 Tagen bleiben ?!! Zum Objekt und Schießplatz waren es aber noch viele, viele Kilometerchen auf einer holprigen Betonplattenpiste. Mal ein Strauch, mal eine Jurte oder auch ein Kamel. Die Fahrt schien kein Ende nehmen zu wollen, dann ein unscheinbares Gebäude. Absitzen, die Unterkünfte beziehen, kurze Besichtigung des Objektes. Die Toiletten habe ich jetzt noch vor Augen – eine große Halle mit mehreren Reihen von Erdlöchern, zum Hinhocken. Ich dachte bei mir sofort, die werde ich wohl nie benutzen. Der Einkauf im " MAGASIN " war gut, vor allem die Kasse. Wie da die Kugeln hin und her flogen – keiner sah so richtig durch, wie das wohl funktioniert. Aber es mußte wohl alles stimmen, jedenfalls hat sich keiner beschwert, dass was falsch rausgegeben wurde.
Am nächsten Tag Kontrolle der Startplätze, einige fehlende Platten in der Böschung mußten verlegt werden, dann ein neues Funkmeßkabel ziehen. Ca. 3 Kilometer waren das und in der Wüste kein Vorwärtskommen. Ein Kamel war uns eine willkommene Abwechslung. Unser Kommandeur, Maj. Bernhardt, ging auf eine dort stehende Jurte zu … Auch einen Salzsee haben wir entdeckt. Zurück durften wir die Ärmel hochkrempeln, doch eine Erleichterung. Nun ging es in die Kabinen, alles einrichten, Stifte spitzen, die notwendigen Einstellungen vornehmen, insgesamt 3 Tage Training.
Am Tage + 50 ° C, in der Nacht – 20 ° C, einfach irre ... !
Der Tag des Schießens kam, gegen Mittag waren wir dran, ich saß auf meinem Platz und sah ab und zu durch den Lüfter, den ich abstellen konnte. Mit einemmal ein Getöse, die erste Rakete ging in der Stellung los. Dann links von uns, die steckten eine mit der Spitze in den Wüstensand, eine Aufregung ! Nun mußten wir beweisen, was wir konnten. Alles lief wie am Schnürchen, Ziel aufgefaßt, begleitet, da brüllte der sowjetische Kontrolloffizier : „ ..uskielutsch, jastreb ! „ Die Rakete jagte los, sie zitterte, dann auf dem Bildschirm die Annäherung, die Wolke schließlich – Ziel vernichtet ! Unsere Fla – Raketenabteilung war die Beste, wir waren froh und auch erleichtert, dass alles so gut gelaufen war. Am Abend gab es einen „ Kleinen „ …
Als es wieder hieß, auf nach Hause, gingen uns die letzten Tage nochmal durch den Kopf. Eigentlich ein schönes Erlebnis ... Zunächst aber mit dem „ Wüstentaxi SIL „ bis zur Bahnstation Aschuluk. Wir fuhren an einem riesigen Berg Raketenschrott vorbei. Nachdem wir alle Sachen in unserem Waggon verstaut hatten, ging es kurz nach Mittag los. Nachdem sich jeder einigermaßen bequem eingerichtet hatte, hielt unser Kommandeur, Maj. Gerling, eine kleine Dankesrede und reichte etwas „ Raketentreibstoff „ in die Runde. Unser Kompaniechef schob noch was hinterher, es wurde gesungen, gelacht, gefeiert und wir als Soldaten waren stolz auf unseren Sieg. Auch konnten wir nun nach all den Anstrengungen endlich richtig einmal ausschlafen. Es war eine Wohltat. Die Rückfahrt sollte diesmal nur 10 Tage dauern. Wir Uffz. / Sold. vom Stab saßen zusammen mit den Chefs in einem Abteil, auch von unserem Dienst auf dem Gefechtsstand in Barth hatten wir engere Beziehungen zu unseren Vorgesetzten als manch ein anderer in der Abteilung. Und, man spürte auch, wenn man sein Bestes gab, dann gab es eine Art familiäres Vertrauen. Ich für meinen Teil kann jedenfalls sagen, dass ich mit allen gut auskam. Wir fuhren über den Wolga – Don – Kanal und sahen die Sehenswürdigkeiten unterwegs jetzt mit ganz anderen Augen. Auf der Hinfahrt wußte man ja vorher nicht, was kommt. Unterwegs durch das große Land Richtung Heimat. In Polen wieder bei den Halts unterwegs an die Wasseranschlüsse, mit nackten Oberkörper. Was kann schöner sein bei Hitze und Staub !
Dann die Grenze und Ankunft in Frankfurt / Oder ...
Mal richtigen Kaffee trinken und was Gutes zum Essen gönnen. Obwohl wir über die Verpflegung nicht meckern konnten … Die Zeit verging anschließend wie im Flug. In Barth in der Kaserne dann 2 Sunden ausgiebige Körperpflege. Nachdem wieder alles ordnungsgemäß verstaut war, antreten zum Apell mit Auszeichnungen und Belobigungen in Massen. Es war ja was Besonderes und wir waren alle zusammen stolz ! Auch wurde uns angekündigt, dass wir bald wieder einen Urlaubsschein von Nahen betrachten könnten. Ich war nun 25 Jahre alt, hatte eine erhebliche Zeit davon bereits auf dem Bohrturm zugebracht und war Entbehrungen gewöhnt. Aber es ist natürlich auch schön, mal nach Hause fahren zu dürfen.
Es war dann zu Sylvester, ich war ja noch ledig. Ich freute mich, meinen lieben Vater und meine Halbschwester wiederzusehen. Meine Mutter war bereits 1978 verstorben, es waren meine Pflegeeltern. Wir feierten bis morgens, meistens mit Kaffee, da nicht soviel „ Treibstoff „ eingeplant war. Bei der Feier traf ich zum erstenmal mit meiner späteren zukünftigen Braut und Ehefrau zusammen, nun sind es bereits über 26 Jahre. Es galt aber auch, wieder Abschied zu nehmen. In Wittenberge traf ich die ersten Kameraden, es gab noch zur Begrüßung einen kleinen Schnappelie und dann verteilte sich das ganze irgendwie im Zug. Hinter Ludwigslust kam auf einmal irgendein Ausländer in Uniform auf uns zu, er hatte mitbekommen, dass wir bei den Raketen waren. Ich hatte das Gefühl, dass er was im Schilde führte und was vorhatte. Da wir inzwischen verteilt waren, war mir die Sache zu mulmig. Beim nächsten Halt raus aus den Zug und schnurstracks zur Trapo, wegen der Bescheinigung meiner verspäteten Weiterfahrt zur Dienstort.
In der der Kaserne in Barth angekommen, mußte ich mich sofort im B 1 – Objekt melden und zu der Ursache der Verspätung einen seitenlangen Bericht schreiben. Ich erfuhr dann auch, dass unsere Leute zu Hause bei mir alles verrückt gemacht hatten, wo ich denn nun abgeblieben wäre. Man kannte mich und glaubte mir, auch der V – Nuller ( VO = Verbindungsoffizier, Abteilung 2000 ). Ich hatte ja zudem auch die Bescheinigung der Transportpolizei gehabt. Damit war die Sache erledigt und die ganze Aufregung vorbei.
Es kam die Zeit, da wir nicht mehr ins B1 – Objekt durften, es war einige Wochen vor der Entlassung. Wegen der Geheimhaltung, da wir mit den Codierungen und VS – Dokumenten zu tun hatten und keiner dann mehr Zugang zu aktuelle Daten haben sollte. Auch verständlich. Die neuen Aufgaben waren auch nicht schlecht, der Gefechtsstand wurde umgebaut und wir mußten auf dem Bahnhof Barth Betonteile entladen und im B1 – Objekt wieder abladen. Im Grünen Weg 8 in Barth hatte ich eine kleine Liebe, daher spielte ich bis zuletzt mit dem Gedanken einer Verlängerung meiner Dienstzeit. Aber es zog mich doch irgendwie zurück zu meinem gelernten Beruf, Tiefbohrer.
Trotzdem verlief alles zeitlich gesehen schneller als mir lieb war. Mit unserem Kompaniechef, Obltn. Bohm, fuhren wir noch einmal nach Neunkirchen, mit einem KRAZ – Kran. Unterwegs machten wir in Stralsund Rast, mitten in der Stadt. Es war für mich toll, mit dem Riesenteil gerade hier zu sein, wo ich meinen Beruf erlernt hatte. In der „ Fischerstube „ , meiner alten Stammkneipe, gab es dann Frühstück. Zurück nach Barth und der große Abschied nahte : wir haben uns von allen verabschiedet, auch von Uffz. „ Joppe „ Ullein. Er mußte noch weitermachen, er heulte, trotz Kerl wie er war. Es war bewegend und ging einem durch und durch. Das EK – Tuch war voll, nun ging es gemeinsam mit einem Taxi Richtung Magdeburg. Dort sollten sich unsere Wege für immer trennen, auch wenn ich später den einen oder anderen nochmal getroffen habe. Aber die Zeit brachte auch ein Vergessen mitsich, leider. Mein EK – Tuch habe ich öfter mal in den Händen und denke mit Wehmut daran. Es vergingen dann rund 4 Jahre, bis ich als Reservist wieder zurück in vertraute Gefilde gerufen wurde, zum Brigadegefechtsstand nach Rövershagen – Hinrichshagen. Den ersten, den ich dort wiedertraf, war Oberst Spakowski. Hätte nicht auch mein alter Kommandeur hier sein können, Oberst Prottengeier ? Aber er war ja 1982 ebenfalls in die Reserve gegangen. Meine Dienstzeit in der 43. Fla – Raketenbrigade ging dann zu Ende. Wenn es diese Truppe auch nicht mehr gibt, ich bin stolz, dort gedient zu haben. Und, ich diente der Deutschen Demokratischen Republik …
In eigener Sache : es ist angedacht, diese FOLGEN " Aus der Geschichte der 43. FRBr " bis mindest 2012 fortzusetzen, ca. jeden Monat einen Beitrag bzw. FOLGE. Am 01.09.2012 soll dann die Ausstellung " 50 Jahre Garnisonsort Sanitz " in der Heimatstube der Gemeinde Sanitz eröffnet werden. Schreibt Eure Erinnerungen / Erlebnisse / Erfahrungen aus Eurer Dienstzeit auf, damit sie letzlich nicht verloren gehen - es wäre schade drum - und schickt sie uns zu !
hallo erst mal!so,wie dir,geht es vielen!
AntwortenLöschenes war doch eine zeit des zusammenhaltes!
auch ich habe des öfteren noch mein resituch
in der hand und auch noch guten kontakt zu etlichen soldten und offiziersgraden!
falls du mal bilder brauchst,dann einfach mailen!Heinz Hesse FRA 4333/Fük
hermann.ilsenburg@t-online.de