Ich lese in der Wochenendbeilage der jw zur Situation vor jenem 13. August 1961 so nebenbei folgenden Satz:
"Wer als DDR-Bürger in Westberlin arbeitete, erhielt seinen Lohn entweder komplett oder zum Teil in Westwährung, der Rest ging auf ein Konto dort."
Die Frage stellte sich ja tatsächlich, was mit dem getauschten DDR-Geld passierte. Zum Teil dieses: "Ich weiß aus meiner Dienstzeit sehr gut, was so über die Grenze mitgenommen wurde: Lebensmittel in großem Umfang, Geräte, die zum Teil hochwertig waren und bei uns dringend benötigt wurden. Der Schaden war immens.".
ABER, daß DDRler in Westberlin teilweise auch "nur" wieder DDR - Geld als Lohn erhielten, lese ich zum ersten Mal. Ich meinte tatsächlich, das wäre marktwirtschaftlich geregelt, weit gefehlt, Stichworte sind: "Lohnausgleichsverfahren" und "Lohnausgleichskasse" für die Westgrenzgänger aus dem Osten und die Ostgrenzgänger aus Westberlin.
Zum historischen Hintergrund:
Die Spaltung Deutschlands erfolgte durch die separate Währungsreform am 20. Juni 1948. Am 24. Juni 1948 wurde der Gültigkeitsbereich der Deutschen Mark (West) auf die drei westlichen Sektoren von Berlin ausgedehnt, wobei die DM-Scheine einen "B"-Stempel erhielten (Bärenmark). Am gleichen Tag wurden durch die UdSSR die Straßen- und Eisenbahnverbindungen Westberlins nach Westdeutschland unterbrochen, um eine weitere Versorgung Westberlins durch das Umland zu erzwingen.
Eine weitere Versorgung Westberlins durch das Umland hätte durch die notwendige Bezahlung die Einführung der westdeutschen DM in Westberlin konterkariert und die Spaltung Berlins ggf. verhindert. Dieser Plan wurde durch die sog. Berliner Luftbrücke unterlaufen.
Der Spaltung konnte jedoch nicht ganz so rigoros durchgezogen werden, wie es heute scheint. So wurde erst mit der Dritten Verordnung zur Neuordnung des Geldwesens in Berlin vom 20. März 1949 (Währungsergänzungsverordnung) die westdeutsche DM alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel in den Westsektoren. In der Zwischenzeit galt faktisch auch die Ostmark parallel als gesetzliches Zahlungsmittel in Westberlin.
Neben den Gütermarkt, der bereits Mitte 1948 abgetrennt wurde, gab es jedoch noch einen Arbeitsmarkt mit rd. 200.000 Grenzgängern, davon anfangs ca. 122.000 Ost-Grenzgängern und 76.000 West-Grenzgänger. Nachdem die Westmark 1949 nur noch alleiniges Zahlungsmittel in Westberlin wurde, sank die Zahl der Ost-Grenzgänger drastisch von 122.000 auf 87.000 (-29%) und die der West-Grenzgänger von 76.000 auf 45.000 (-41%).
Sprich: Es pendelten vom Osten nur noch gut die Hälfte nach Westberlin zum Arbeiten ein. Bis 1953 sank deren Zahl weiter auf rd. 30.000, um dann bis 1961 wieder auf 61.200 anzusteigen, zzgl. ca. 20.000 illegale West-Grenzgänger vom "Scheuerlappengeschwader". Es »ist bei grober Schätzung davon auszugehen, dass kurz vor dem Mauerbau jeder zehnte Erwerbstätige aus dem „Ostteil“ des Berliner Verflechtungsgebietes in West-Berlin arbeitete« (Frank Roggenbuch). Zu den Ost-Grenzgänger fand ich nicht so detaillierte Aussagen, es klingt so, als ob die Masse der Westberliner ab 1954 in der DDR entlassen wurde.
Währungsumtausch
»In der Frühphase verfolgte der Westen eine Doppelstrategie. Zum einen wurden die Westgrenzgänger durch stufenweise Erhöhung der Westgeldquoten (erstmals 1951 von 10 Prozent auf 25 Prozent) materiell stimuliert, obwohl über eine Viertelmillion Westberliner arbeitslos waren ... Darüber hinaus sah die Westberliner Politik... die Gefahr einer kommunistischen Unterwanderung über das Grenzgängerwesen. So kam es zum Ausschluss politisch Missliebiger vom Lohnumtausch,was offiziell mit dem anfänglichen Defizit der Lohnausgleichskasse begründet wurde. Betroffen waren zunächst Mitarbeiter von SED und FDGB, bald darauf Beschäftigte systemnaher Ostberliner- und DDR- Betriebe und Institutionen, Inhaber von Ostlebensmittelkarten und schließlich alle SED-Mitglieder.« Die Westgeldquote wurde sukzessive bis auf letztlich 40Prozent im Jahre 1956 erhöht.
http://www.stiftung-aufarbeitung.de/uploads/pdf/roggenbuch.pdf
http://www.stiftung-aufarbeitung.de/uploads/pdf/roggenbuch.pdf
Die Zahl der Westgrenzgänger entsprach dem regionalen Arbeitskräftedefizit auf der DDR-Seite.
Ein Rechenbeispiel vom "Spiegel", Heft 34/1961, vom 16.08.1961: »Ein Grenzgänger, der in Westberlin ein Monatsgehalt von 440 Mark bezieht, bekommt durchschnittlich 40 Prozent seines Lohns (also 176 Mark) in westlicher, 60 Prozent (also 264 Mark) in östlicher Währung ausgezahlt. Bislang konnte er den Westmark-Anteil in einer Westberliner Wechselstube zum Kurs von durchschnittlich einer Westmark, gleich 4,5 Ostmark, umtauschen und sein Gehalt durch Ausnutzung des Kursgefälles auf mindestens 1056 Ostmark erhöhen.«
Was hätte die Währungsergänzungsverordnung von 1949 für die Grenzgänger bei freier Marktwirtschaft bedeutet, also noch ganz ohne "Kalten Krieg"? Bleiben wird mal beim Spiegel-Beispiel, sowohl Ost- als auch Westgrenzänger hätte 440 Mark im Monat ausgezahlt bekommen:
- Der Westgrenzgänger hätte 100 Westmark in ca. 450 Ostmark umgetauscht und davon Miete, Strom etc. locker bezahlt und mit den verbleibenden 340 DM alle Arten von raren Konsumgütern in den Osten geschleppt.
- Der Ost-Grenzgänger hätte vermutlich 100 Mark für Produkte, die im Osten weiter subventioniert waren (beachte "Preisstop) ausgegeben und die restlichen zum Kus von 4,5 : 1 umgetauscht. Mit der Folge, daß er Ende des Monats aus seiner Westberliner Wohnung hätte ausziehen oder sich beim Arbeitsamt melden müssen. Das hätte die Arbeitslosenzahl in Westberlin schlagartig von rd. 300.000 auf 422.000 (+41%) erhöht.
Ein solcher Zustand wäre für den Westberliner Senat nicht haltbar gewesen, zumal noch die Auswirkungen von Krieg und "Luftbrücke" allgegenwärtig waren. Zu allem Überfluß hätte so ein reger, unkontrollierter Währungsaustausch beim Arbeitsmarkt, die Bemühungen zur Spaltung der Stadt - analog dem Gütermarkt - konterkariert und die dauerhafte Spaltung Berlins ggf. verhindert.
Der Autor und Stipendiat der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Frank Roggenbuch, hat zum Thema sogar ein "preiswertes" Buch vorgelegt:
Das ist eine "Flaschenpost", wer mehr zum Thema weiß, bitte die Kommentarfunktion verwenden oder mir mailen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen