Sonntag, 16. November 2008

Faktenauswahl, objektiv und ergebnisoffen

Ich habe verblüfft festgestellt, daß Einige bei meinem Beitrag "NVA-Historie" bereits mit den Begriffen Schwierigkeiten haben. Anbei der Versuch einer Erläuterung:

* "Faktenauswahl"
Annahme: Zu einem bestimmten Thema liegen einige (unstritige) Fakten vor. Nun stehe ich vor der "Qual der Wahl", welche Fakten sind erwähnenswert, welche sind wesentlich? Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel:

Ich würde für jeden Kalendertag bis zu fünf Ereignisse auslisten wollen, die an diesem Tag in der NVA passiert sind.

Tag 1
Es sind - auch nach Nachforschung - nur drei Ereignisse bekannt.
=> ich und jeder andere schreibt das auf, was er hat, d.h. die erwähnten drei Ereignisse.
Tag 2
Es sind 25 Ereignisse bekannt, darunter fünf Fahnenfluchten bzw. EK-Exzesse.
=> Was wählt der "Mainstream" aus? Logo .... vier Fahnenfluchten bzw. EK-Exzesse und eine Ordensverleihung an Armeegeneral Hoffmann, wegen der "Objektivität".
=> Was sollte ausgewählt werden? Logo ... vier sonstige Ereignisse und eine Fahnenflucht.
etc.

Das ist Faktenauswahl. Übrigens, bei jeder Tageszeitung Alltag. Natürlich lebt jede Information vom Vergleich. Was nützt mir die Information, daß die BRD rd. 500 Mrd. EUR für die notleidenden Banker zur Verfügung stellt, wenn ich nicht weiß, daß das knapp einem Viertel ihres jährlichen Bruttoinlandproduktes ist!? Wer kann sich schon diesen riesigen Geldbetrag vorstellen? Folglich ist es angemessen und notwendig im o.g. Beispiel auf die Fahnenfluchten in anderen Streitkräften zu verweisen, wie von mir hier geschehen. Der Vergleich dient dem Einordnen und dem "ins richtige Licht" rücken.

* "Objektivität"
Das "geniale" besteht darin, das dieser Begriff - von denen die sie einfordern - regelmäßig nicht praxistauglich definiert wird. Ich kann nur vermuten, daß damit eine "ausgewogene" Darstellung von einem "neutralen" Standpunkt aus gemeint ist.

Jetzt frage ich mich, wer ist wirklich "neutral"? Jeder ist von seiner Herkunft, seiner Erfahrung, Ausbildung und finanziellen Mitteln sowie sozialen Status geprägt. Zu guter Letzt bestimmt auch der der (die Darstellung) bestellt, die "Musik". Vielleicht kann in 100 Jahren ein Chinese die NVA-Historie einigermaßen neutral darstellen, aber niemand heute.

Was bedeutet "ausgewogen"? Soll ich zu jedem positiven Fakt einen negativen Fakt stellen? Oder besser noch wichten, etwa: 80% war gut, 20% schlecht, ergo müssen die Fakten entsprechend verteilt werden? Wer bestimmt was gut oder schlecht war? Nach welchen Kriterien? Zumal, viele Sachverhalte sind so komplex, daß sie nicht nur gut oder nur schlecht waren (sind)! Selbst die viel geschmähte EK-Bewegung hatte in Bezug auf Gefechtsbereitschaft und als "Lernpatenschaft" gute Seiten und war höchst unterschiedlich ausgeprägt.

* "ergebnisoffen"
Auch hier, was soll das heißen: Ein wildes Drauflosforschen, Aufschreiben? Doch wohl nicht ... jeder Mensch und vor allem Wissenschaftler haben zu Beginn ihrer Arbeit Hypothesen, Thesen oder Theorien die sie mit ihrer Arbeit belegen, begründen bzw. beweisen wollen.

Wenn "ergebnisoffen" lediglich heißen soll, daß ich bereit bin, meine Hypothesen, Thesen oder Theorien entsprechend dem Arbeitsergebnis zu ändern bzw. anzupassen .... dann ist das m.E. selbstverständlich und bedarf keiner gesonderten Erwähnung.

=> Kurz
Solange Forderungen nach "Fakten, Objektivtät und vor allem Ergebnisoffenheit" nicht als pure Phrase daherkommen, sondern im konkreten definiert ist (s.o.), ist alles in Ordnung.

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