Donnerstag, 27. November 2008

Rammstoß gegen Starfighter

Die rusische Gewerkschaftszeitung "TRUD" berichtete in ihrer Ausgabe vom 11. Dezember 2003, wie rabiat es an den Außengrenzen der Sowjetunion oft zuging. Dort tobte der Kalte Krieg in einer Härte, die wir uns in Mitteleuropa nicht vorstellen können und nicht glauben wollen: Schon mosern einige, es sei unmöglich gewesen, das die USA noch 1973 eine Staffel Starfighter F-104 in den Iran verlegt hätten. Es liegt hier ggf. tatsächlich eine Verwechslung zwischen F-104 (Starfigther) und F-4 (Phantom) vor ..... die Site acig.org erwähnt diesen Zwischenfall ebenfalls. Demnach flog der sowjetische Pilot eine MiG-21SMT und der Luftraumverletzer eine RF-4E (das "R" steht für Aufklärer). Allerdings habe es sich um eine Maschine der IRIAF gehandelt, was aber bereits deshalb nicht wahrscheinlich ist, weil die iranischen Luftstreitkräfte bis 1979 IIAF hießen.

Hier die Geschichte, mit herzlichsten Dank an "radist" für seine Vollmacht :-)

»Direkt hinter den Ufern des Kaspischen Meeres verläuft die Grenzlinie zwischen dem Iran und Aserbaidshan in nördlicher Richtung und bildet dabei einen Vorsprung von einigen Tausend Quadratkilometern, der weit in das Territorium von Aserbaidshan hinein reicht. Für die Aufklärungsflugzeuge der NATO war das Anfang der 70-ger Jahre ein beliebter Tummelplatz. Zu jener Zeit war der Luftraum über der westlichen und fernöstlichen Grenze gut gesichert, der PWO gelang es, Versuche des Einfluges von Aufklärungsflugzeugen schon im Keim zu ersticken.

1970 wurde ein amerikanisches Flugzeug, nach unerlaubtem Einflug, zur Landung auf einem Flugplatz in Armenien gezwungen. An Bord waren 2 amerikanische Generäle und ein türkischer Oberst. Die nördliche Variante, aus Norwegen über die Kola Halbinsel scheiterte auch an dem engmaschigen Netz der Luftverteidigung. Ebenfalls gut gesichert war der Kaukasus.

Nur das „Tor zum Iran“ war offen. Die Aufklärungsflugzeuge der NATO überflogen hier oft die Grenzlinie zur Sowjetunion im nördlichen Teil des Vorsprunges, dabei sammelten sie Daten zu den Funkmessstationen, hörten den Funkverkehr und überprüften die Reaktionszeiten der sowjetischen PWO – danach flogen sie über das Meer ab. Unsere Abfangjäger, die von Flugplätzen in Grusinien starteten, mussten erst eine Gebirgskette umfliegen und verloren dabei wertvolle Minuten und Sekunden.

Am 28. November 1973 wurde von den Mitteln der PWO eine weitere Luftraumverletzung festgestellt. Im Führungspunkt des 15. Korps des Bakuer Luftverteidigungsbezirkes, wohin diese Meldung weitergeleitet wurde, befand sich der Leiter der Politabteilung des Korps Generalmajor Alexander Ostanin. Alexander Wasiljewitsch ist schon lange im Ruhestand, kann sich aber noch gut an die Vorgänge vor 30 Jahren erinnern. Hier seine Worte:

„1973 verlegten die Amerikaner eine Staffel F-104 in den Iran, sofort war es vorbei mit der Ruhe. Darum bestanden an dem genannten Tag auch keine Zweifel, dass es sich um ein reales Ziel handelte. Das Ziel wurde von einem Funktechnischen Bataillon in der Nähe der Ortschaft Imischly geführt. Aus irgendeinem Grund hat sich mir der Name des Stationsleiters im Gedächtnis eingeprägt – Hauptmann Tjemnij.“

Zu jener Zeit gab es folgende Anweisung: Transportflugzeuge, die den Luftraum der Sowjetunion verletzen sind zur Landung zu zwingen, Kampfflugzeuge sind ohne Vorwarnung zu vernichten. Der Korpskommandeur gab den entsprechenden Befehl an Hauptmann Tjemnij. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich schon 2 Abfangjäger in der Luft und ein weiterer startete vom Flugplatz Baziani in Grusinien. Dort befand sich ein Teil der 34. Luftarmee des Kaukasus Militärbezirkes. Die Mig-21 mit der Bordnummer 240 wurde von Hauptmann Gennadij Jelisejew gesteuert. Vom Führungspunkt konnte eingeschätzt werden, dass er dem Ziel am nächsten war. Hauptmann Tjemnij übermittelte ihm den Befahl: „Ziel vernichten!“

Ich erinnere mich, dass danach eine bedrückende Ruhe im Raum herrschte, Jelisejew näherte sich dem Ziel – es war eine Sache von Sekunden. „Start erste Rakete!“ meldete Jelisejew – dann Stille, nach kurzer Zeit die Meldung „Start zweite Rakete“ – wieder Stille. Im Führungspunkt war nicht das kleinste Geräusch zu hören, die Raketen währen bei einer Annäherung auf 30m explodiert. Das bedeutete: Fehlschüsse.

Dann war wieder die Stimme von Jelisejew im Lautsprecher „Das Ziel fliegt noch“, worauf Hauptmann Tjemnij das Kommando zum rammen des Zieles gab, darauf die kaltblütige Antwort Jelisejews: „Verstanden – rammen!“

Den heutigen Lesern dieser Zeilen wird es schwer verständlich sein, wie Jelisejew diese Anweisung ohne jeden Zweifel akzeptierte. Zu sehr hat sich die Welt sei dem verändert, trotz einiger Rückschläge ist das Vertrauen gewachsen. Damals herrschte aber auf beiden Seiten des „Eisernen Vorhangs“ eine Kriegspsychose, hunderte Einsatzkräfte der strategischen Waffengattungen waren in ständiger Bereitschaft, um mit einer Handbewegung die Zivilisation in eine atomare Apokalypse zu stürzen. Jelisejew war so erzogen worden: „Lässt Du einen Eindringling ungestraft entkommen, bring das einen möglichen Krieg näher. Der Gegner ist heimtückisch und listig, er wartet nur auf einen schwachen Moment, um gegen die sozialistische Heimat losschlagen zu können.“ Bei Überschallgeschwindigkeit war es unwahrscheinlich, das Rammen eines gegnerischen Flugzeuges zu überleben, trotzdem – Jelisejew tat es…

Tjemnij schaffte es noch, ihm den Hinweis zu geben: „ Versuch ihn mit der Tragfläche zu treffen“, die letzten Worte von Jelisejew waren dann: „Verstanden!“ Die Zielzeichen auf dem Radarschirm verschwanden. Jelisejew hatte offensichtlich das Ziel nicht mit der Tragfläche gerammt, sondern wie ein Torpedo mit dem ganzen Flugzeug. Die MiG-21 explodierte in der Luft und er konnte sich nicht katapultieren. Die amerikanischen Piloten gingen nahe der Grenze an ihren Fallschirmen nieder und wurden dort von den alarmierten Einsatzkräften am Boden festgenommen.

Wir fragten Alexander Wasiljewitsch, warum Jelisejew nicht die 23mm Kanone eingesetzt hat, die zu jener Zeit bei der eingesetzten Variante der MiG-21 schon vorhanden war. An einigen Stellen findet man Hinweise darauf, dass die Waffe nach den ersten Schüssen versagt haben soll und die verantwortlichen Waffentechniker mit 10 bzw. 3 Jahren Haft bestraft worden währen. Ostanin antwortete, dass ihm darüber nichts bekannt ist.

Genauere Auskunft könnte das Band mit den Aufzeichnungen des Funkverkehrs Boden-Flugzeug geben, das lange Zeit im Leninzimmer des Funktechnischen Bataillons aufbewahrt wurde, danach lag es im Museum des 15. Korps der PWO. Nach dessen Umorganisation ist es dann verschwunden.

Der Titel „Held der Sowjetunion“ wurde Gennadij Jelisejew für damalige Verhältnisse relativ schnell verliehen – am 10. Dezember 1973, nur 10 Tage nach seinem Tod.«



Gennadi Nikolajewitsch Jelisejew
* 26.12.1937
+ 28.11.1973

EDIT (13.03.2010)
In der Fliegerrevue eXtra Nr. 27 vom 04.12.2009 heißt es u.a. zu obigen Zwischenfall, daß es »eine RF-4C und keine RF-4E war, geflogen von Major Shokouhnia. Auf dem Sitz des Radar Intercept Officers (RIO) saß mit Oberst John Saunders ein Angehöriger der U.S. AF. Beide konnten sich katapultieren und wurden 16 Tage später von den Sowjets – vermutlich im Austausch gegen eine über dem Iran niedergegangene Satelittenkassette – entlassen. Shokouhnia kam am 27.1.1982 ums Leben, als seine RF-4E von einer irakischen Mirage F.1EQ abgeschossen wurde, während Sanders nie mehr im Flugdienst auftauchte und sich bis heute über seine damalige Mission in Schweigen hüllte.«

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen