Samstag, 21. August 2010

Spaniens Himmel: Belchite

Belchite ist eine Stadt in der spanischen Provinz Saragossa. Bereits während des Unabhängigkeitskrieges gegen die Franzosen, war dieser Ort Schauplatz einer tragischen Schlacht: Der französische Marschall Suchet erstürmte am 18. Juni 1809 das hier von Joaquin Blake aufgeschlagene verschanzte Lager der Spanier. Ein Granattreffer lies Pulverwagen der spanischen Armee explodieren, die an Verrat glaubten und flüchteten. Da die Franzosen lange brauchten, um das enge vergitterte Eingangstor zu öffnen, gelang den meisten Spaniern die Flucht. Ein Bataillon, das den Marktplatz verteidigte, wurde von polnischen Ulanen, die in französischen Diensten standen, niedergeritten. "Gefangene wurden daher nur wenige gemacht, aber es fielen 9 Geschütze, einige 20 Patronenwagen und sehr bedeutende Magazine in die Hände der Sieger" (Memoiren aus dem spanischen Freiheitskampfe 1808-1811). Am 18. Juli 1936 »funkte der Radiosender von Sevilla: "In Spanien ist der Himmel hell" - Das war das verabredete Signal der Faschisten zum Losschlagen gegen Republik und Volk", nachdem in Spanisch-Marokko die Revolte bereits begonnen hatte. Nachdem nur unbedeutende Teile der spanischen Streitkräfte der Republik treu geblieben waren, erhoben sich die Massen und schlugen die Putschisten zurück: "Zwei Drittel des Landes, alle Industriegebiete, die größten Städte waren den Faschisten entrissen ... Der Aufruhr ist mißglückt - die Intervention beginnt" ("Spanienkrieg" von Willi Bredel). Italien und Deutschland schickten militärische Unterstützung und "Dank" der "Nichteinmischung" der anderen europäischen Staaten, vor allem Großbritanniens, konnten kampferfahrene Fremdenlegionäre aus Nordafrika ungehindert nach Europa gelangen. Der Konflikt war internationalisiert. Auf Seiten der rechtmäßigen, spanischen Republik standen lediglich die Sowjetunion und - eher symbolisch - Mexiko sowie insgesamt rd. 59.000 Interbrigadisten.Im Krieg ging es militärisch um die Einnahme oder die Verteidigung von Madrid. Alle anderen Kriegsschauplätze wurden von den Kriegsparteien diesem Ziel untergeodnet. Zur Entlastung von Madrid beschloß der republikanische Generalstab im Sommer 1937 eine Reihe von kleineren Offensiven in Aragonien. An der Offensive nahmen Teile der republikanischen Armee des Ostens und die XI. und XV. Internationale Brigade mit insg. 80.000 Soldaten teil. Den heftigsten Widerstand leistete die Garnison von Belchite, die sich mit ca. 2.000 Mann bis zum 6. September 1937 verteidigte. Keiner der 3.600 Stadtbewohner war evakuiert worden, weder Frauen noch Kinder. »Zwei Wochen lang trommeln Tag und Nacht die Mörsergranaten, rattert MG-Feuer, zerreißen Schreie die Stille Aragoniens. Zivilisten gelangen in die Schusslinie von Republikanern und Nationalen. Tausende sterben in Gassen, Höfen, auf Plätzen bei dem Kampf um jedes Haus« (Mahnmal gegen das Vergessen). In der Schlacht werden Flugzeuge der Legion Condor zur Bombardierung der republikanischen Truppen bzw. der Versorgung der Eingeschlossenen eingesetzt. Ebenfalls sollen republikanische Maschinen die Stadt bombardiert haben. Die Todesopfer der Schlacht werden mit insg. 5.000 Menschen angegeben, wovon ein großer Teil zur Garnision gehört haben soll.In der Kirche San Martín befand sich das Zentrum der Garnision und bildete den Schlüsselpunkt der Kämpfe. Der republikanische Brigadekommissar Steve Nelson schrieb dazu: "Sie machten die Kirchen zu Festungen, spickten die Türme mit Maschinengewehren und nannten dann die Republikaner gottlose Bolschewiken und Atheisten, weil sie Kirchen angriffen."Der Schweizer Interbrigadist Hans Marthaler gab später zu Protokoll: »Die 11. Brigade ist in den Kämpfen um Belchite Anfang März 1938 fast aufgerieben worden. Unsere Einheit hat ihre drei Camions mit angehängten Kanonen ganz verloren. Ein Camion wurde von sechs Jagdfliegern beschossen und in Brand gesteckt, und die andern zwei verloren wir tags darauf auf der Strasse, ebenfalls durch Flieger. Von der Mannschaft von 75 Mann waren am andern Morgen noch 35 Mann da und am nächsten Morgen noch weniger. Ich habe an diesem Morgen nur noch Koch getroffen, wo die übrigen waren, weiss ich nicht.«Nachdem die Kirche durch die republikanischen Kräfte genommen war, mußten sich die Faschisten in das Innere des Ortes zurückziehen. Als der Kommandant seinen Offizieren vorschlug, die Stadt zu übergeben, wurde er vom örtlichen Falangistenführer entmachtet und von den eigenen Leuten erschossen. Die Situation wurde von den Verteidigern genutzt, die letzten mutmaßlichen Symphatisanten der Republik in Belchite zu ermorden ("Spanienkrieg" von Willi Bredel).»Nach Wochen verlustreicher Kämpfe erstarrte die Front wieder da, wo sie vorher verlaufen war. Condor-Flieger hatten so viele republikanische Flugzeuge abgeschossen, daß sie fortan unbestrittene Luftüberlegenheit besaßen. In Aragon wechselte das Städtchen Belchite zweimal den Besitzer«, weiß der Spiegel zu berichten. Tatsächlich war die Offensive ein Fehlschlag, obwohl die republikanischen Seite bis zu 10 km Geländegewinn erzielte. Die Faschisten mußten von der Madrider Front lediglich zwei Divisionen abziehen, eine Entlastung wurde nicht erzielt. Das Städtchen wurde am 10. März 1938 durch die Franco-Truppen wieder eingenommen.
Der völlig zerstörte Ort blieb auf Befehl Francos unangetastet. Er sollte als Symbol für die "Bestialität der roten Kanaillen" dienen. Heute steht er als unangetastetes Mahnmal gegen die Bestialität des Krieges. Nur wenige und unscheinbare Stützmaßnahmen wurden mittels Betonverfüllung unternommen, einzelne Absperrungen liegen unbeachtet am Boden. Ein neues Belchite wurde auf dem Reißbrett konzipiert und ab 1954 in unmittelbarer Nähe errichtet. Ein Denkmal für den Caudillo soll von den Einwohnern gleich nach dessen Tod 1975 demoliert wurden sein. Auch nach Francos Sieg machte der Tod keinen Bogen um Belchite. In Belchite mußten im Schnitt 500 Republikaner eines Strafbataillons, von rd. 280.000 republikanischen Gefangenen schuften. Die zynische Devise lautete: »Ihr habt Belchite zerstört, und ihr werdet es wieder aufbauen«. Darunter waren auch 406 ausländische Gefangenen, die in Belchite Zwangsarbeit leisten mußten (WOZ).
Die Ruinenstadt liefert gelegentlich die Kulisse für Dokumentarfilme, wie den Filmzyklus "Busch singt" von Konrad Wolf oder für Spielfilme, wie "Die Abenteuer des Baron Münchhausen" von Terry Gilliam. Ein Besuch ist völlig unproblematisch: Mit dem Auto bis zum obigen Eingangstor des Ortes fahren und ohne Kontrolle, Eintrittsgeld oder andere Besucher gelangt der Interessierte in die Ruinenstadt. Bei meinem Besuch am 21. Juli 2010 war es gegen Mittag landestypisch heiß, sehr heiß. Es herrschte eine ungewohnte Stille, die lediglich um 12.00 Uhr durch Kirchengeläut und -gesang aus dem neuen Belchite unterbrochen wurde. Mein Rundgang dauerte rd. anderthalb Stunden. Während dieser Zeit begegneten uns zwei Paare, die genauso still wie wir, ohne das übliche "¡Hola" durch die Ruinen streiften. Aufgrund der enormen Baufälligkeit einzelner Fassaden, glaube ich nicht daran, daß so ein Besuch noch lange möglich sein wird.
Es wird berichtet, dass ein Panzer der 9. Kompanie der 2. Französichen Panzerdivision unter Befehl von General "Leclerc" bei der Befreiung von Paris den Namen "Belchite" trug.

Siehe auch:
http://ddr-luftwaffe.blogspot.com/2008/12/spaniens-himmel.html
http://ddr-luftwaffe.blogspot.com/2008/12/spaniens-freiheit-heit-jetzt-unsre-ehre.html


2 Kommentare:

  1. Ich war 1982 da und habe mit einen alten Mann gesprochen,der vieles als kleines Kind miterlebt hat.Wer diese Stadt gesehen und das Geschehende aus dem Munde eines Zeitzeugen gehört hat,denkt,gerade in der heutigen Zeit mit den schlimmen Vorkommnnissen nachdenklich zurück.
    Auch ich habe einige Bilder von dieser zerstörten Stadt gemacht
    Mein Vorname ist : Manfred-----------------

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