Mittwoch, 28. November 2007

Die Front steht - Part II

Weil mich doch interessierte, wie es jemand vor Ort erlebt hat, habe ich mich umgehört. Ein früherer Kundschafter der HVA und Teilnehmer der Konferenz hat mir dazu seinen folgenden ersten Eindruck übersandt:

»Hallo, melde mich wieder zurück aus Odense der Stadt des Dichters und Märchenerzählers, Hans Christian Andersen (Die kleine Meerjungfrau). Nachdem ich heute meine persönliche Presseschau zur Konferenz in DK absolviert habe, bin ich eher der Meinung, Andersen ist beim Märchenschreiben eher ein Dilettant gewesen. Das, was ich hier im - fast gleichgeschalteten - Blätterwald zum Thema lese, sind nämlich überwiegend stark erfundene Berichte mit märchenhaften Charakter. Es sei denn, man berichtet von verschiedenen Veranstaltungen.

Zu lesen ist hier fast ausschließlich von 11 Vortragenden, sich unselbstkritisch und selbst feiernden, früheren HVA-Spitzenkadern,die uneinsichtig ihre Tätigkeit präsentieren. Da ist die Rede von einer Behörde in Deutschland, die boykottierend der Konferenz fernblieb, richtiger wäre wohl zu schreiben, daß sie gar nicht vom Veranstalter eingeladen wurde, wegen des konträren Verhaltens zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der deutsch-deutschen Geschichte der Geheimdienste.

Kaum zu lesen ist im Blätterwald, das diesen 11 hochrangigen Referenten der früheren HVA mehrere international renommierte Wissenschaftler gegenüberstanden, die als Elite auf diesem Fachgebiet gelten und akribisch die Geheimdiensttätigkeit der HVA im Kalten Krieg ausleuchteten und von ihrem aktuellsten Forschungsstand berichteten. Wo kann man heute in deutschen Zeitungen lesen, daß die Gefahr eines Atomkrieges um 1983 weitaus näher war als zur Zeit der Kubakrise (Rjan, Able Archer)? Welcher deutsche Zeitungsleser wird erfahren, daß in Odense die unbeantwortete Frage in den Raum gestellt wurde: "Hat womöglich die HVA, durch Weitergabe aktuellster brisanter Informationen nach Moskau, einen Atomkrieg verhindert?"

Bezeichnend für die Situation in Deutschland im Umgang mit der eigenen Geschichte ist nicht nur der neutrale Ort der Konferenz, sondern auch das Auftreten einiger deutscher"Aufarbeiter" bei dieser Konferenz. So fand ich z.B. das Auftreten der ehemals "Bürgerbewegten" Rita Selitrenny bezeichnend für das Klima in D. In ihrem 1991 mit Thilo Weichert herausgegebenen Buch "Das Erbe der Stasi", fordert sie im Interesse des inneren Friedens, eine Offenlegung der Umstände die eine Gesellschaft zerriß und forderte keine pauschale Vorverurteilung im Umgang mit MfS-Mitarbeitern. Hier, in Odense, fiel diese Frau nur durch **** Geschrei - vermutlich Fragen - auf. Sehr peinlich kam dann noch der Auftritt des selbsternannten "Stasiforschers" und Gedenkstättenleiters Lippmann herüber, der für mich **** eindeutig überfordert war.

Im O-Ton deutscher Blätterwald liest sich das so: "Zur historischen Forschung trugen die Ex-Kader nichts bei." "Was die erzählen, wissen wir längst", urteilte Bernd Lippmann von der Berliner Gedenkstätte Normannenstraße, dem Stasi-Museum. Er war einer der wenigen Kritiker, die zur Konferenz angereist waren." (Zitat Berliner Kurier). Da frage ich mich, warum wusste er selbst denn nichts, wenn alles bekannt ist? In einer Zeitung aus dem Süddeutschen Raum, einem Sprachgebiet, daß mich mitunter als Norddeutschen vor akustische Probleme stellt, verunglimpft man gar den Initiator dieser Veranstaltung, Thomas Wegener Friis, der angeblich das Wort HVA schon mit sächsischen Akzent ausspricht. Wer die dänische Sprache kennt, wird wohl bei jedem Dänen bei der Aussprache "HVA" diesen Bezug herstellen können. Na ja, nichts ist unmöglich, wenn es um die Haßkappe zur Deligitimierung der DDR geht.«

Dieser Beitrag von "Nordic" wurde in verschieden Internet-Foren veröffentlicht. Die Auslassungen "****" stammen von mir, der Autor wollte hier nur seinen persönlichen Eindruck verstärken, was zum Verständnis meiner Meinung nach nicht notwendigerweise öffentlich weitergegeben werden muß.

Es waren auf der Konferenz neben dem Kennenlernen und der Diskussion u.a. folgende Vorträge vorgesehen ... die mich ehrlich gesagt gedruckt interessieren würden:

* Prof. Dr. Nigel West (Centre for Counterintelligence and Security Studies, Washington D.C.): Counter Intelligence in Europe during the Cold War
* Werner Großmann: Geschichte und Aufgaben der HV A
* Ralf Devaux: Bundesregierung und Auswärtiges Amt
* Kurt Gailat: Parteien in der Bundesrepublik
* Dr. Norbert Podewin: Kontaktpolitik
* Bernd Lippmann (Gedenkstätte Normannenstrasse): Die HV A Spionage in der Bundesrepublik
* Prof. Dr. Michael F. Scholz (University of Gotland): Desinformation als Propagandakrieg der DDR (bis 1972)
* Dr. Beatrice de Graaf: (University of Leiden) : Feindbilder - Vom Nutzen und Nachteil für den Intelligence Cycle
* Karl Rehbaum: Strategische Militäraufklärung
* Rainer Rupp: Aufklärung der NATO
* Dr. Matthias Uhl (Deutsche Historische Institut, Moskau): Militärspionage unter Chruschtschow
* Dr. Armin Wagner (Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik): Militärspionage des BND in der DDR
* Horst Vogel: Der Sektor Wissenschaft und Technik
* Prof. Dr. Jörg Roesler (Berlin) : Operatives Wissen und praktische Verwertung
* Prof. Dr. Kristie Macrakis (Michigan State University): The Crown Jewels and the Importance of Scientific-Technical Intelligence
* Klaus Eichner: Aufklärung und Abwehr der CIA
* Gotthold Schramm: Aufklärung und Abwehr bundesdeutscher Dienste
* Dr. Gabriele Gast: Infiltration des BND
* Heinz Greyer: Das Verbindungssystem
* Erich Schmidt-Eenboom (Institut für Friedenspolitik): Kontinuität und Brüche des BND in der DDR-spionage
* Dr. Paul Maddrell (University of Aberystwyth): Konfrontation der Geheimdienste in Deutschland vor 1961.
* Benjamin Fischer (Center for the Study of Intelligence): CIA on East German Intelligence
* Dr. Robert Gerald Livingston (Senior Visiting Fellow, German Historical Institute, Washington, D.C.) : Markus Wolf's Files, CIA's Booty - Operation Rosenholz.

2 Kommentare:

  1. Danke für den Beitrag. Er war sehr informativ - und sicherlich heute selten, weil nicht von "gewünschtem Interesse".

    Deshalb unbedingt weitermachen!

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  2. Lesenswert - und unbedingt zu empfehlen. Nicht nur die Tageszeitungen berichten sehr differenziert, sondern es kommt auch (wohl bewußt!) zu Irritationen. Hochachtung vor den Referenten. Keineswegs ist es eine "Kaffefahrt", sondern aus meiner sicht ein Beitrag zur >objektiven Geschichte<. DANKE

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